von Annegret Handel-Kempf
Es geht heiß her, seit in Bayern und vielen anderen Bundesländern zum Jahreswechsel und in einigen Ländern der Bundesrepublik schon im vergangenen Jahr gastronomische Rauchverbote eingeführt worden sind. Dummerweise mit Ausnahmen, die das Bundesverfassungsgericht nach Willen mancher Kneipenwirte, Raucher und Kommentatoren zum Anlass nehmen soll, das Rauchverbot in öffentlichen Lokalitäten komplett zu kippen.
Einstweilen nutzen die im kalten Winter vor die Tür von Restaurants und Bars gestellten Raucher die sommerlichen Freizeitvergnügungen dazu, gründlich Rache zu nehmen an allen, die ihnen das – so scheint’s der großen Aufregung zufolge – einzige Feierabendvergnügen raubten. Das da war: Rauchen in verschlossenen, öffentlichen Räumen, bis nicht nur ihre Lunge bis zur Karzinombildung qualmte.
Am Strand, in Parks, auf Spielplätzen, gebeugt über Kinderwägen, in Freibädern, in Biergärten und auf sonnenbeschienenen Sitzplätzen von Restaurants und Cafés begegnen einem seit Ausbruch frühlingshafter und sommerlicher Temperaturen Kettenraucher in Massen, die es vorher so nie gegeben zu haben schien. Waren die Sommermonate früher eine Labsal für Familien mit kleinen Kindern und für Schwangere, die sich nicht in den schädigenden Qualm zwischen den Wänden von Gourmet-Tempeln begeben wollten; eine Labsal, weil man endlich, weitgehend rauchfrei, am genussreichen Verwöhnprogramm und gesellschaftlichen Treffen in Cafés und Biergärten teilnehmen konnte, so ist jetzt das krasse Gegenteil der Fall: Alle Raucher und Winde haben sich verschworen, kein Fleckchen Freiluftzone frei vom Qualm zu lassen, keinen Tisch zu reservieren, von dem man sich nicht – nach deutlich beeinträchtigtem Essgenuss - geräuchert wieder erheben muss. Stoffe, die einem weder Arzt noch Apotheker empfehlen würden, umwehen Jung und Alt auf Schritt und Tritt, und das in der keineswegs mehr erfrischenden Luft.
Eine Rettung zeigt sich dieser Tage auf Volksfesten, die kurioserweise von den Rauchverbots-Gegnern propagiert wurde und unangenehmerweise jetzt als Argument für eine eventuelle komplette Abschaffung des Rauchverbots herhalten muss: Das gute, alte Festzelt! Setzt man nur einen Fuß hinein, sucht dieser automatisch schleunigst seinen Weg wieder nach draußen, denn der vom dicken Rauch geschwängerte und mit feuchtfröhlicher Blasmusik unterlegte Mief ist komplett unerträglich – riechbar eine Folge unserer noch jungen Gewöhnung an rauchfreie Restaurants. Die Konsequenz für Raucher: Wenigstens hier finden Sie noch einen Raum, wo sie, von Nichtrauchern unbehelligt, einer Lust nachgehen können, die angeblich bei der Ankunft gewisser Stoffe in bestimmten Hirnteilen einem sexuellen Orgasmus oder der Reaktion auf verbotene Rauschgifte ähnelt. Während drinnen solcherlei Leidenschaft tobt, sind draußen vor den Bierzelten endlich wieder Freiluftbereiche zu finden, die weitgehend rauchfrei sind: Wie in der guten, alten Zeit vor dem Rauchverbot.
Damit keine Missverständnisse aufkommen: Das soll kein Plädoyer für eine Abschaffung des Rauchverbots in Innenräumen sein, vielmehr ein Appell an Raucher und Politiker, auch jene Menschen vor den Gesundheits- und Spaß-tötenden Folgen des Passivrauchens zu schützen, die sich vor allem im Sommer naturgemäß gerne im Freien aufhalten.
Oder müssen wir bald mit Initiativen und Verfassungsklagen von bislang Unterdrückten rechnen, die ihre sexuelle Lust statt im Privaten gerne in Festzelten, Freibädern und auf den Tischen von Freiluft-Cafés und Biergärten ausleben wollen? Denn auch sie werden schließlich nur von der Sucht nach dem gewissen Kick getrieben, der der Forschung zufolge auch Raucher rücksichtslos und rückfällig werden lässt.
2008-07-01 Annegret Handel-Kempf, Wirtschaftswetter
Text: ©Annegret Handel-Kempf
Illustration + Themenbanner: ©aph
Infos zu Datenschutz + Cookies
zurück zu: Lifestyle
zurück zu: Startseite
wirtschaftswetter.de
© 2003-2021 Wirtschaftswetter® Online-Zeitschrift