von Angelika Petrich-Hornetz
Das Radio plärrt um Viertel vor sechs. Zeit zum Aufstehen. Wer hat nur das frühe Aufstehen erfunden? Müde quäle ich mich aus der kuschelig-warmen Betthöhle und ahne schon, heute werde ich es nie schaffen richtig wach zu werden.
Gestern war es einmal wieder viel zu spät geworden. Irgendwann hatte ich den toten Punkt schlicht verpasst, an dem man unverzüglich in die Federn hechten sollte, allein schon, um zu vermeiden, dass etwas dazwischen kommen könnte - zum Beispiel interessante Gedanken und kreative Ideen. Mit denen ist nämlich keine dankbare Bettschwere zu erreichen, sondern alles andere – außer Schlafen. Leider folgt die Strafe für Nachtschichten in Büchern regelmäßig auf dem Fuße.
Doch es nützt ja nichts. Also, in die Küche quälen, die Kaffeemaschine anwerfen, in die Dusche. Unter Wasser werde ich lebendiger. Es plätschert, kitzelt, erfrischt und heitert auf. Doch sich berieseln lassen war nun eindeutig Tätigkeit genug: Nach dem Abtrocknen könnte ich sofort wieder einschlafen, selbst im Sitzen oder Stehen. Zur nächsten Aufwecknotstation: Kaffee vom Schwärzesten. Der scheint meinem Kreislauf jedoch so gut zu bekommen, dass ich jetzt noch viel besser schlummern könnte - wenn ich nur dürfte.
Anziehen, Zähne putzen, Haare kämen - meine Peripherie befolgt roboterhaft die Befehle einer gnadenlos den Wachstatus einfordernden CPU. Dabei befinde ich mich immer noch im Standby-Betrieb - von Wachzustand kann überhaupt keine Rede sein. Wie in Trance packe ich meine Sachen, schnappe den Müllbeutel und beginne mit dem Treppenabstieg. Im ersten Stock grüßt Frau Müller. Ich höre mich Guten Abend murmeln. Zum Glück scheint sie kein Wort verstanden zu haben – oder es wundert sie schon lange nichts mehr.
Mein Auto, meine Rettung. Einsteigen, anschnallen, losfahren, sich in den Stadtverkehrsfluss einschlängeln, der um diese Uhrzeit regelmäßig der reinste Horror ist. Mein Glück: Auf einer ruhigen Landstraße oder herausforderungslosen Autobahn wäre ich heute gewiss in Sekunden selig am Steuer eingeschlafen.
Der Parkplatz der Firma ist nur halb gefüllt. Eigentlich ungewöhnlich. Ich nehme meine Arbeitstasche und zuckele wie ein Kamel über das jetzt in gleißendes Sonnenlicht gesetzte große Grau. Wieso ist es hier heute so leer? Ach, ja, Juli - Ferienzeit, dämmert es mir. Da sind eben viele weg. Ferien? Das Kamel bleibt stehen. Weiter, weiter, pocht die CPU auf die unbedingte Einhaltung des Programms. Ins Bett, ins Bett, jubelt die Peripherie aufmüpfig gegenan.
Mein Gott, Ferienzeit? Juli? Juli! Ich habe ja Urlaub! Wie konnte ich das nur verpassen, was mache ich hier?. Ferien, Ferien, Ferien, hüpft jetzt auch mein Herz. Keine Termine! Keine Unterlagen, keine Abrechnungen, keine Besprechungen, keinen schlechten Kaffee, kein stundenlanges Sitzen auf schlechten Stühlen!
Drei Wochen Urlaub: Ausschlafen, guter Kaffee, Sonne genießen, Regen zuschauen, Reisen, Bummeln, Spiel, Spaß, Sport, Flanieren, Schauen, Staunen, Genießen. Nicht, dass ich meine Arbeit nicht liebte. Doch nach drei Stunden Schlaf, kommt mir dieser Urlaubsanfang jetzt ungemein gelegen. Nach viel zu wenig, notwendiger Nachruhe, noch dazu ohne etwas wirklich Sündhaftes getan zu haben, wie zum Beispiel die halbe Nacht durchzutanzen, für das es sich wenigstens gelohnt hätte, am nächsten Tag wie ein Hund zu leiden, ist ein unerbittlicher Arbeitstag einfach gemein, selbst, wenn er noch so interessant werden würde und gerade, weil man selbst Schuld ist.
Möglichst unauffällig eile ich zurück zu meinem Wagen und fahre in schönster Ferien-Vorfreude nach Hause. Ich nehme den Müll, den mein müder Schädel heute morgen versehentlich in den Kofferraum dirigiert hatte, und pfeffere ihn jauchzend in die große Mülltonne vor dem Haus. Dort treffe ich ausgerechnet wieder auf Frau Müller, die wohl am liebsten weggeguckt hätte, um nicht sehen zu müssen, wie eine Frau mit einem Müllbeutel, den sie eindeutig schon beim Verlassen des Hauses bei sich getragen hatte, aus einem Auto steigt und sich über diese fast schon dadaistisch anmutende Szene auch noch unverhältnismäßig sichtbar freut.
Oben angekommen, werfe mich aufs Bett. Entspannung, Freude, die ganze Pracht des Urlaubslebens entfaltet sich in diesem einen Moment. Ferien! Herrlich. Ich habe Urlaub, endlich, nach dieser ganzen, endlosen Schufterei. Die Sonne scheint, sie wärmt schon gewaltig. Adieu Alltagstrott, willkommen, du schöner Morgen. Dich beinahe verpasst zu haben, muss die berühmte Tretmühle verbrochen haben – und der Schlafmangel. Beide werde ich drei Wochen lang bestimmt nicht vermissen. Bis dann und: schöne Ferien!
2008-07-01 Angelika Petrich-Hornetz, Wirtschaftswetter
Text: ©Angelika Petrich-Hornetz
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