Kolumne
von Jutta Wilke
Kennen Sie das? Sie liegen am Strand, wahlweise am Swimmingpool oder auf einer Alpenwiese, machen Urlaub und lassen ihren Alltag zu Hause Revue passieren. Mit einem Mal packt es Sie und Sie beschließen: Das muss anders werden!
Und voller Tatendrang fassen Sie im Dämmerschlaf gute Vorsätze für die Zeit nach dem Urlaub, von denen sich so mancher Motivations-Apostel eine Scheibe abschneiden könnte:
Zuhause fange ich endlich diese Diät an, von der meine Freundin so schwärmt. Ich werde schon vor dem Frühstück am offenen Fenster Gymnastik machen, mindestens fünfzehn Minuten lang. Anschließend gönne ich mir Wechselduschen und eine Pflegemaske.
Nicht zu vergessen ein gesundes Frühstück. Frisch gepresster Orangensaft und ein Vollkornbrötchen.
Und gleich nach dem Frühstück werde ich meinen Haushalt auf Vordermann bringen. Und mindestens eine Kolumne schreiben. Selbstverständlich werde ich zu dieser Uhrzeit schon geduscht sein und aufgehübscht dem Tag entgegen tanzen. Ich werde jedem meiner Mitmenschen mit einem fröhlichen Lächeln begegnen, selbst dem Angestellten meiner Hausbank, selbst dann, wenn er mir keinen Kredit geben will.
Ich werde den Kindern ein gesundes Mittagessen servieren, gleich sofort, wenn sie aus der Schule kommen. Ich werde mir Zeit nehmen für ihre Fragen und Nöte und ihre Hausaufgaben. Und ich werde keine Gummibärchen mehr essen. Gummibärchen sind schlecht für die Zähne und enthalten viel zu viel Zucker.
Mit diesem festen Vorsatz schlafe ich ein.
Als ich am ersten Tag nach dem Urlaub beschwingt das Fenster aufreiße, regnet es in Strömen und schnell werfe ich das Fenster wieder zu und lasse die Morgengymnastik ausfallen. Später ist auch noch Zeit. Vor der Gymnastik duschen ist wenig sinnvoll, es tut daher auch ein alter Jogginganzug. Nachher werde ich mich ja rundum pflegen und wohlfühlen und dann auch etwas Hübsches anziehen.
Leider sind die Vollkornbrötchen gerade aus und frische Orangen gibt es jetzt im August auch nicht. Wenn ich sowieso ungesundes Toastbrot essen muss, kann ich auch einen Kaffee mehr trinken, morgen ist schließlich auch noch ein Tag. Wenigstens meine Schreibarbeit will ich gleich erledigen und fahre den Computer hoch. Solange ich noch auf das Laden meiner Mails warte, kann ich doch noch schnell ein kleines Spielchen einschieben. Immerhin bin ich in der High-Score-Liste auf Platz einhunderzweiunddrölfzig und heute könnte ich mich entscheidend verbessern. Ich spüre es, das wird mein Tag!
Um kurz vor zwölf habe ich mich um zwei Plätze nach unten verschlechtert und noch keine Zeile geschrieben. Schnell sammele ich herumliegende Schmutzwäsche ein und stopfe sie in die Maschine. In einer halben Stunde stehen die ersten Kinder in der Tür, hungrig wie junge Wölfe. Ein Blick in den Kühlschrank lässt mich zur Telefonnummer des Pizzaservice greifen. Beim Aufhängen der Wäsche rieseln mir die Papiertaschentücher meines Jüngsten entgegen und während ich noch fluchend die Fussel von meinem Jogginganzug einsammele, ruft die Redaktion an und fragt, wo meine Texte bleiben. Völlig entnervt greife ich zur Gummibärchentüte. Und fasse den festen Vorsatz: Das muss anders werden!
2008-08-03 Jutta Wilke, Wirtschaftswetter
Text: ©Jutta Wilke
Illustration + Themenbanner: ©Angelika Petrich-Hornetz
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