von Angelika Petrich-Hornetz
Vom Phänomen Animal Hoarding, zu Deutsch etwa Tiere horten erfährt die Öffentlichkeit immer dann, wenn Tierschützer, Gesundheits- oder Veterinärämter der Sammelwut von vermeintlichen Tierfreunden ein Ende bereiten. Kürzlich war es ein Berliner Frührentner, der in seiner nur rund sechzig Quadratmeter großen Drei-Zimmer-Wohnung über tausend Wellensittiche hielt, für die allein zwei Zimmer vorgesehen waren. Über den Gestank und den Lärm der zwitschernden Freunde des sechzigjährigen Alleinstehenden hatten sich die Nachbarn schon länger beschwert.
In einer anderen Berliner Wohnungen lebten in einem Zimmer über Hundert halb verhungerte Ratten, Doch auch auf dem Land gibt es solche verwahrlosenden Massentierhaltungen, die zunächst meist ganz harmlos – mit der Anschaffung von lediglich einem oder ein paar Tieren - beginnen und nach einiger Zeit im Chaos eines irgendwann heillos überfordernden Tierhalters enden. So hielt in Brandenburg eine Frau über zweihundert Hunde auf einem Hof. Auch diese waren zum größten Teil bereits in einem gesundheitlich bedrohlichen Zustand, als sie endlich gefunden wurden.
Die meisten Fälle werden in den USA publik. So werden dort nicht selten innerhalb von wenigen Tagen gleich mehrere Massentierhaltungen ausgehoben. Zum Beispiel die rund siebzig Kaninchen in einer Einzimmerwohnung in Illinois. Immerhin: Bis auf eines sollen die Langohren in einem guten Zustand aufgefunden worden sein. Als erste Maßnahme trennten die Behörden nach eigenen Angaben „the boys from the girls“. Eine 69-jährige Bankräuberin hatte dagegen etwa ein Dutzend Katzen und zwei Dutzend Zucht-Hunde, darunter Chihuahuas, in ihrer Wohnung zurückgelassen, als sie ihre Haft antreten musste. Die Hunde und Katzen suchen nun genauso wie die Kaninchen ein neues Zuhause - und möglichst eins pro Tier.
Animal Hoarder oder Tier-Messies, wie man die Sammler von lebenden Tieren auch nennt, leiden ähnlich wie gewöhnliche Messies unter einer Art Sammelsucht. In der überwiegenden Zahl fallen dieser Hunde und Katzen zum Opfer. Neben der durch Überforderung mit der Pflege irgendwann einkehrenden Unordnung und mangelnden Hygiene und dem daraus resultierten Gestank in Wohnungen und Häusern von Sammelsüchtigen, ist es daher besonders das Leid der Tiere, das die Behörden auf den Plan ruft und die Öffentlichkeit schockiert.
Durch die Ähnlichkeit mit dem Messie-Syndrom, das durch Sammeln oder auch durch lediglich Nicht-Wegwerfen von Gegenständen bis hin zum Müll gekennzeichnet ist, sprechen einige Tierschützer inzwischen von einem neuen Krankheitsbild, mit sich wiederholenden Symptomen. Der Animal-Hoarder lebe dabei in der Regel allein. Er oder sie sei sozial isoliert bis hin zur kompletten, gesellschaftlichen Abschottung. Dreiviertel aller Tiersammler sollen Frauen sein, überdurchschnittlich häufig ab fünfzig Jahren aufwärts, zitierte Tierschützerin Dr. Elke Deininger in einem Interview mit dem Stern einige Ergebnisse aus Studien über das Phänomen.
Dahinter verberge sich eine zwanghafte Persönlichkeitsstörung. Doch auch andere Störungen wie Demenzerkrankungen werden in den alternden Industriegesellschaften immer mehr zum Problem, wenn es sich bei den Betroffenen gleichzeitig um Tierhalter handelt, die den Überblick über ihre Haustierpopulation verlieren.
Während die einen die Diagnose und Therapie dieser Störungen beim Menschen für die wichtigste Maßnahme halten, damit Haustiere künftig weniger in Mitleidenschaft dieser Sammelsucht gezogen werden, bleibt zur Rettung der Tiere nur der klassische Weg: Die Adoption von Tieren, die aus Hoarding-Haltungen befreit wurden. Wer das nicht kann oder will, kann auch mit einer ehrenamtlicher Tätigkeit, einer Patenschaft oder anderen Formen der finanziellen Unterstützung für Tierheime und andere artgerechte Haltungen etwas zur Linderung des Leids von einst verwahrlosten Haustieren beitragen.
2009-01-01 Angelika Petrich-Hornetz, Wirtschaftswetter
Text: ©Angelika Petrich-Hornetz
Foto Katze ©Ines Kistenbrügger
Fotos Themenbanner: ©Cornelia Schaible
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