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Doc's Kolumne

Natürlich tot

von Dr. Elisabeth Kärcher

Liebe Leserinnen und Leser,

wenn ich als Patientin auftrete, gebe ich mich ungerne als Ärztin zu erkennen, denn dann werde ich selten neutral beraten. Dabei bin ich längst eine dieser Fachidioten, die ein Ergebnis der immer spezieller werdenden Medizin sind: in meinem Gebiet top, ansonsten naiv. Für dumm verkauft werden mag ich aber nicht. Und so hat es mich neulich ziemlich geärgert, dass mir eine Apothekerin unbedingt ein angeblich harmloses pflanzliches Mittel andrehen wollte.

Damit ich nicht falsch verstanden werde: Meine Kenntnisse in Pharmakologie kommen an die eines Apothekers nicht heran. Deshalb lasse ich mich beispielsweise gerne in einer Apotheke beraten, welche Produktneuheiten es gibt. Aber diese Aussage, dass ein Mittel empfohlen wurde, weil es keine negativen Studien gibt, ist deshalb unsinnig, weil in dieser Produktgruppe kaum wissenschaftlichen Studien durchgeführt werden.

Ich habe es lieber, wenn durch viele Studien Nutzen und Risiken klar belegt sind und somit ein rationales Abwägen ermöglicht wird, als wenn überhaupt nicht gesucht und entsprechend nichts gefunden wird. Unbekannte Risiken mögen leichter ignorierbar sein und deshalb beruhigen, aber sie sind wie die Papiere einer Bad Bank: Totalverlust nicht ausgeschlossen.

Konsequenterweise vermeide ich Kräutermischungen, bei denen die Quellen nicht absolut zuverlässig sind. Um Nahrungsergänzungsmittel mache ich einen riesigen Bogen und wenn bei Medikamenten in Werbung und Verpackung das Natürliche stark hervorgehoben und alles andere sehr kleingedruckt wird, lasse ich die Finger davon. Wer wirklich gut ist, braucht auch seine Schattenseiten nicht zu verstecken.

Besondere Aufmerksamkeit verdient wegen seiner zunehmenden Verbreitung ein ebenso schön blühendes wie tödliches Gewächs am Straßenrand und auf Weiden: das Jakobskreuzkraut oder Greiskraut. Das bis zu einem Meter hohe Gewächs blüht im Sommer leuchtend gelb. Für Tiere und Menschen sind die Inhaltsstoffe giftig und gehören deshalb weder in Heumischungen für Kühe und Pferde noch in Kräuterteemischungen. Die Pyrrolizidinalkaloide der Pflanzen werden in der menschlichen Leber verarbeitet, wobei Abbauprodukte entstehen, die die Leber zerstören. Besonders gefährlich für Schwangere: selbst wenn die eigene Leber eine kleine Giftmenge noch verträgt, leidet die Leber des ungeborenen Kindes und hat schon zu Fällen von tödlichem Leberversagen geführt.

Kräuter verlangen die gleiche Sorgfalt bei Sammlung und Zubereitung wie Pilze. Kluge Sammler lassen die Finger von Sorten, die sie nicht eindeutig bestimmen können. Oder würden Sie getrocknete Pilzmischungen an jeder Straßenecke kaufen?


2009-07-01 Dr. Elisabeth Kärcher, Wirtschaftswetter
Text : ©Dr. Elisabeth Kärcher
Fotos Themenbanner: ©Sabine Neureiter
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