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Doc's Kolumne

Die Schweinegrippe ganz privat

von Dr. Elisabeth Kärcher

Liebe Leserinnen und Leser,

was für ein Glück. Da haben wir uns jahrelang auf einen tödlichen Seuchenausbruch vorbereitet und nun kommt eine laut Weltgesundheitsorganisation moderate pandemische Influenza, an der die Bezeichnung Schweinegrippe hängen geblieben ist. Aber was für ein Pech, dass die wichtigste Phase dieser Pandemie, nämlich die Vorbereitung auf die berühmt-berüchtigte Winterwelle mitten in Wahlkampf- und Koalitionsverhandlungszeiten fällt.

Dabei ist das Ding mit dem Virus eigentlich ganz einfach. Ein Virus, das aus Hülle und Erbgut besteht, kann nur überleben, wenn es häufig sein Erbgut ändert und viele Lebewesen befallen kann. Allzu wählerisch sollte es dabei nicht sein. Und mit ein paar Tausend Milliarden Versuchen gibt es bei dieser Erbgutveränderung dann auch ab und zu den ganz großen Jackpot, nämlich ein neues Virus.

Dieses kann sich dann ungehemmt von Lebewesen zu Lebewesen hangeln und auf diese Weise ein langes freies Dasein führen, es sei denn ..., nun ja, es sei denn, es trifft auf Klugheit. Vermutlich denken Sie, liebe Leserinnen und Leser, dass ich jetzt die Entwicklung von Medikamenten und Impfstoffen, die Labordiagnostik und die weltweite Kooperation der Seuchenbekämpfung meine. Ohne Frage ist all dies wichtig.

Aber heute geht es mir um den einzelnen Menschen und seine Entscheidungen und Handlungen. Ich meine die Klugheit der vorsichtigen Gelassenheit, die Klugheit der entspannten Sorgfalt und die Klugheit des konzentrierten Loslassens. Ich meine diese kostbare Mischung aus Vorsicht und Mut, aus weiser Zurückhaltung und lebensfroher Risikobereitschaft. Ich meine die Kunst des Augen AUF (nicht Zu!) und Durch!

Wie selten das ist, zeigt uns diese Pandemie an jedem Tag. Unterschätzung gleichermaßen wie Überschätzung, Fehlinformationen und weit hinausposauntes Halbwissen dominieren selbst in Fachkreisen. Da sind die Töne der Klugen manchmal schwer zu hören. Sie sind meist leise, aber dafür ruhig und unbeirrt. Ihre Botschaften sind keine einlullenden Gedichte, sondern oft genug spröde und widersprüchlich. Sie bieten Entscheidungshilfen an, nicht fertige Rezepte.

Denn es gibt auch in dieser Pandemie keinen Weg ohne Risiko, egal für welchen Weg sich jemand entscheidet. Und jeder Tag fordert Entscheidungen. Wie verhalte ich mich? Was fordere ich meinen Mitmenschen ab? Soll ich mich impfen lassen oder die Infektion riskieren? Ist es anderen unangenehm, wenn ich ihnen die Hand gebe? Kann ich überall hin reisen? Was mache ich, wenn ich erkranke? Die kluge Balance will jeden Tag neu erworben werden.

Dabei tut es gut, wenn Behörden und Institute kluges Verhalten unterstützen. Lob gebührt dem Robert-Koch-Institut. Seit Beginn der Pandemie gibt es tägliche Presseberichte und umfassende Informationen unter www.rki.de, außerdem wöchentliche Meldedaten unter influenza.rki.de (im Winter sehr empfehlenswert).

Weniger hervorgetan haben sich jedoch die Bundesländer, obwohl die Organisation im Ernstfall in ihren Verantwortungsbereich fällt. Die Schwächen der Pandemiepläne werden jetzt, da ein kompliziertes und fein abgestimmtes Vorgehen bei den Impfungen notwendig wird, allzu deutlich. Und dass der kindergartenreife schleswig-holsteinische Hickhack in der Wahlkampfphase alles andere als Klugheit demonstriert hat, birgt für das Virus einen Grund zur Freude. Mal schauen, ob es seine Chance nutzt.


2009-10-04, Elisabeth Kärcher, Wirtschaftswetter
Text : ©Dr. Elisabeth Kärcher
Fotos Themenbanner: ©Cornelia Schaible
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