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Der Apfelbaum

Apfel, Link Wirtschaftswetter

Im Geheimarchiv der städtischen Bibliothek fand ich im März 2009 ein uraltes, vergilbtes Buch, in blasses Seidenpapier gewickelt, welches mir: "Streng geheim!"entgegen knisterte. Nun, ich lasse mich von so etwas nicht beeindrucken, im Gegenteil.

Die erste Geschichte lautete folgendermaßen:
Adam schlenderte an jenem Tag ruhelos durch den Garten, ganz nett und bequem ist es hier, sagte er sich mal wieder, aber irgend etwas fehlt, er meinte das zu spüren, von Tag zu Tag mehr. Er beobachtete Eva, die wie üblich die Hütte kehrte und die Betten ausschüttelte, später Mangos und Passionsfrüchte pflückte und Kompott kochte. Den Apfelbaum aber rührte sie nicht an. Adam reizten die Äpfel enorm, sie bargen ein großartiges Geheimnis, er wusste es. Seine ganze Aufmerksamkeit galt mehr und mehr dem Apfelbaum. Aber eine Stimme hatte ihm vor vielen Jahren gesagt, dass die Äpfel nicht angerührt werden dürften. Er hatte das an Eva weitergegeben, sie hielten sich daran. Aber jetzt...
Als sie zu Mittag aßen, und Eva ihn mit der einen Hand fütterte, mit der anderen Hand mittels Palmenblatt frische Luft durch die Hutte fächerte, verkündete Adam, während er sich zwischen zwei Bissen in Selbstliebe auf seinem Thron räkelte, er werde zum Nachtisch einen Apfel versuchen - und Eva solle vorkosten.
Eva war ein wenig erschrocken, schließlich musste das Apfel-Verbot ja einen Grund haben. Doch Adam war nicht mehr von seinem Vorhaben abzubringen, es war Herbst, die Äpfel leuchteten gelb und rot, und im übrigen fraßen die Tiere sie auch, ohne Schaden zu nehmen.
„Sei nicht feige, Eva!", drängelte er, bis ihr nichts anderes übrig blieb, als einzuwilligen.
Nachdem Eva das Geschirr gespült hatte, gingen sie also hinaus in den Garten und pflückten sich einen besonders schönen roten Apfel vom Baum. „Ich rate dir zu deinen eigenen Gunsten, Adam, lass das sein!", zischte eine Schlange, die plötzlich wie aus dem Nichts aufgetaucht war.
Adam packte sie und warf sie in den Teich. „Hau abb!", dann , etwas freundlicher zu Eva: „Ladys first!" und reichte ihr den Apfel. Nachdem Eva das erste Stück abgebissen und geschluckt hatte, würde er ungefähr fünf Minuten warten, danach könne er höchstwahrscheinlich sicher sein, dass der Apfel nicht vergiftet und auch für ihn genießbar wäre.
Eva schluckte, Adam beobachtete sie höchst gespannt. Plötzlich verzog sich ihr Mund, als hätte sie in eine unreife Limone gebissen. Sie blickte an Adam hoch und runter, ein leichtes Schaudern ging durch ihren Körper. Sie blickte zum Haus, draußen stand ein Korb schmutziger Handtücher und Bettlaken, die sie am Nachmittag waschen wollte. Sie schüttelte verwundert den Kopf.
„Was tue ich hier eigentlich?"
„Mir dienen!", antworte Adam, einigermaßen verblüfft über ihre Frage.
Evas Blick fiel auf seinen Bauch, der vor Faulheit ganz dick geworden war. Sie lachte auf, warf den Apfel ins Gras, ging ins Haus, schlang sich ein Bettlaken um, das sie mit einer Liane hübsch in der Taille zusammenknotete und machte sich auf in die Freiheit.

Stichwörter: APFEL * AUFMERKSAMKEIT * SELBSTLIEBE * HERBST * FREIHEIT
von Wirtschaftswetter-Autorin Susanne Hagedorn

Zu allen Mini-Stories der Reihe: Privat-O-Mat


2009-10-28 Juliane Beer, Wirtschaftswetter
Text: ©Juliane Beer
Stichworte: Susanne Hagedorn
Illustration: ©ap
Fotos Themenbanner: ©Cornelia Schaible

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