von Susanne Hagedorn
Während meiner Schwangerschaft stand für mich als angehende Mutter und natürlich als „Ernährungsfachfrau“ fest, dass ich mein Kind gesund ernähren werde. Da ich aus gesundheitlichen Gründen jedoch nicht stillen durfte, war es für mich zudem selbstverständlich, dass ich alles tun würde, um Schadstoffe, wie zum Beispiel Zucker, von meinem Kind fernzuhalten.
In den ersten Wochen und Monaten konnte ja nicht viel schief gehen, da mein Töchterchen die Flasche bekam. Sie gedieh prächtig. Darauf folgte die Zeit des Zufütterns, d. h. eine Flaschenmahlzeit wurde durch eine „feste“ Mahlzeit ersetzt. Ein guter Ratgeber war mir damals das Heftchen „Was Babys so gut schmeckt“ und an diese Rezepte hatte ich mich strikt gehalten. Ich hatte beim Biobauern frisches Gemüse und Fleisch gekauft, mich stundenlang in die Küche gestellt, die Sachen abgekocht, püriert und portionsweise eingefroren. So hatte ich immer einen Vorrat, brauchte lediglich frische, gekochte Kartoffeln hinzufügen und die Mahlzeiten waren schnell fertig, wenn mein Töchterchen Hunger bekam.
Süßigkeiten, so hatte ich Opa und Oma eingetrichtert, kamen für unsere Tochter nicht in Frage! Als ich unser Töchterchen irgendwann einmal bei meiner Schwägerin unterbringen musste, stellte ich bei der „Kinderübergabe“ fest, dass sich Töchterchen genüsslich einen dieser fettigen und stark zuckerhaltigen Kinderjoghurts füttern ließ!
Säuerlich echauffiert - im Nachhinein halte ich dies für eine Überreaktion meinerseits- habe ich meine Tochter mitgenommen. Joghurt mag das Kind? Das ist doch überhaupt kein Problem. Einen Joghurtbereiter hatte ich noch aus Jungesellinnentagen aufgehoben. So machte ich mich ans Werk: Zutaten kaufen und Joghurt selbst machen, so ist es gesund!
Da gerade Erdbeerzeit war, wurden diese kurz übergekocht (wegen der Allergene!) und püriert. Einen Löffel aus der Schublade gezogen, Kind in den Hochstuhl verfrachtet und selbstgemachten Joghurt gefüttert. Nach dem ersten Löffel verzog Töchterchen angewidert das Gesicht und mir wurde eigentlich alles wieder entgegengespuckt.
Mamas erste Niederlage auf ganzer Linie und eine weitere sollte noch folgen.
Töchterchen war bei Opa und Oma und als ich sie wieder abholte, saß sie strahlend bei Opa auf dem Schoß mit schokoladenverschmierter Schnute . „Nutella!!!!“ Ungesund wie nur was. Aber auch Nuss-Nougat-Creme kann man selbst herstellen.
Mutti macht sich wieder an die Arbeit: Rezept rausgesucht, die Zutaten natürlich im Reformhaus gekauft und ran an die Fertigung. Na ja, die Konsistenz war nicht so, wie ich sie mir vorgestellt hatte, aber dafür war das ganze ja auch selbstgemacht und besonders edel, meinte ich .... Töchterchens Reaktion: Nach dem ersten Bissen blieb das Schnütchen konsequent geschlossen.
Mamas zweite vollkommene. Niederlage! So langsam, aber ganz sicher, musste ich einsehen, dass es mit der Kinderernährung doch nicht immer so läuft, wie „Fachfrau Mama“ es sich vorgestellt hatte ...
Unser Töchterchen ist mittlerweile fast neun Jahre alt und straft alles, was ich meinen Kunden predige mit konsequenter Missachtung. Sie isst für ihr Leben gern Süßigkeiten und geht auch ohne Frühstück aus dem Haus, kein Betteln, kein Drängen, keine Belobigungen nützen etwas. Der einzige Kommentar meiner ach so weisen Tochter lautete kürzlich:“ Mama, langsam müsstest du doch wissen, dass ich morgens nichts essen kann. Pack mir für die Pause genug ein, dann passt das doch wieder.“
Was soll man dazu noch sagen, besonders wenn die Butterbrotdose, gefüllt mit Pausenbrot, Obst und Gemüsestückchen nach der Schule stets leer ist???
Mein Fazit: Im ersten Lebensjahr ist es durchaus möglich, sein Kind weitgehend zuckerfrei zu ernähren, aber dann greift massiv die Umwelt ein, zunächst meist in Form weiterer Familienmitglieder, und Mama verliert einen großen Teil ihres Einflusses. Mittlerweile sehe ich die Sache entspannter, denn unsere Tochter entwickelt sich gut. Sie ist selten krank, sie isst rohes Gemüse und Obst und bekommt im Herbst zusätzliche Vitamine. Dann sollten Süßigkeiten in Maßen auch einmal drin sein.
Außerdem: Sind wir Erwachsenen wirklich immer vorbildlich?
Für sehr wichtig halte ich neben einer gesunden Ernährung, dass wir Eltern darauf achten, dass die Kinder sich ausreichend und so oft wie möglich an der frischen Luft bewegen, um die vielleicht manchmal überschüssigen Kalorien auch wieder abzuarbeiten. Denn leider gilt es als erwiesen, dass aus den meisten übergewichtigen Kindern auch übergewichtige Erwachsene werden.
Und warum nicht auch mal für uns ein bunter Teller mit Möhren- und Kohlrabistiften, Paprikastreifen und Tomatenecken bereitgestellt, anstatt fettigem Knabberkram. Was den Kindern gut tut, schadet auch uns nicht.
2003-11-15 by Susanne Hagedorn, Wirtschaftswetter
Text: ©Susanne Hagedorn
Illustrationen: ©Angelika Petrich-Hornetz
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