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actors*n faces

Vom Bodypainting zur Casting-Agentur

Potrait Efdoxia Karachaliou

von Birgid Hanke

Eigentlich gehören sie doch tagtäglich in das städtische Straßenbild, die südamerikanischen Musiker, die allerorten in den Fußgängerzonen an den Ecken stehen und temperamentvoll ihre melodischen Lieder vortragen. So sollte es doch auch keinerlei Schwierigkeiten bereiten, eine solche Gruppe kurzfristig für einen Filmauftritt als Komparsen anzuheuern. Genau vor diese Aufgabe sah sich Efdoxia Karachaliou zu Beginn ihrer neuen Selbständigkeit als Inhaberin einer Bremer Casting-Agentur gestellt - und wäre schier verzweifelt. Denn weder in Bremen, noch in Hamburg, noch in Hannover, geschweige denn in den kleineren Städten der Region war eine solche Truppe aufzutreiben. Sie hat dieses Problem dennoch gelöst.

Werden für einen Film unbedingt Werderfans benötigt, scheut sich die junge Agentin nicht, höchstpersönlich ins Weserstadion zu marschieren, um sich einige Herren auszugucken und anzuheuern. Weit zu gehen hat sie nicht, liegt doch ihr Büro dem Stadion fast gegenüber
“Da bin ich aber doch ziemlich schnell wieder abgehauen. Die waren ziemlich heftig drauf.“ Aber nicht ohne die passenden Komparsen für „Amundsen, der Pinguin“ engagiert zu haben
Probleme, Komparsen zu finden, kennt sie ansonsten nicht.
“Nein, es hat noch nie jemand, den ich angesprochen habe, ablehnend reagiert. Im Gegenteil, alle finden es gut und hochinteressant, bei der Entstehung eines Filmes mit dabei zu sein.“
Ein bisschen, das gibt sie zu, habe das wohl auch mit dem augenblicklichen Hype von „Deutschland sucht den Superstar“ zu tun. Schließlich behauptete Andy Warhol ja bereits vor Jahrzehnten, jeder Mensch werde einmal ein Star... mindestens für fünfzehn Minuten.
Nun, Komparsen müssen sich meist sogar mit einem Bruchteil dieser Zeit zufrieden geben. Das hat aber an die hundert Bremerinnen und Bremer nicht daran gehindert, bei den Aufnahmen des diesjährigen ARD-Weihnachtsfilms riesigen Spaß zu haben. Ausgerechnet im heißesten Sommer dieses Jahrhunderts fanden die Dreharbeiten zu „Amundsen, der Pinguin“ in Bremen und Bremerhaven statt.

Und die Agentur „actors *n faces“ zeichnete verantwortlich für die Rekrutierung der Komparserie. Ein dreistündiges Casting im Kulturzentrum "Schlachthof" ging dem Monate zuvor voraus. Neunzig Bewerber waren gekommen, unter denen Frau Karachaliou ihr Auswahl treffen musste.
Der erste Großauftrag, der Durchbruch für die neue Agentur, die in ihrer Art die erste und damit einmalig in Bremen ist. Einmalig deshalb, weil hier nicht nur Schauspieler, Kleindarsteller und Komparsen vermittelt werden, sondern längerfristig ein Pool Fernseh-und Filmschaffender aufgebaut werden soll, der einen alle Bereiche einer Produktion abdeckenden Rundum Service bieten wird.
Neben den bereits von ihr betreuten Darstellern ist „actors *n faces“ also dabei, Filmschaffende von Kameraleuten, Tontechnikern, über Cutter, Drehbuchautorinnen bis zu Spezialisten der Post-Produktion zu erfassen. Alles Kreative und alle unter einem Dach. Tritt eine Produktion an sie heran, wartet die Agentin ihrerseits mit einem konstruktiven Vorschlag für ein passendes Team auf.
Dazu bietet Efdoxia Karachaliou nach wie vor ihre bewährten Erfahrungen und Kenntnisse als Maskenbilderin an.
Das hat sie schließlich einmal gelernt. Zuvor stand aber erst einmal eine Lehre als Friseurin; in Gießen, ihrer hessischen Heimatstad, wo die gebürtige Griechin aufwuchs. Auf dem zweiten Bildungsweg holte sie auch dort am Abendgymnasium das Abitur nach. Darauf folgte die Ausbildung zur Maskenbildnerin bei renommierten Kräften des Darmstädter Theaters und der Dresdner Hochschule für bildende Künste. Das war die Zeit, in der sich Efdoxia Karachaliou auf das exotische Gebiet des „body painting“ spezialisierte. Bei zahlreichen events im Theater-Travestie –und auch im Messebereich war sie zwischen 1992-97 im süddeutschen Raum eine gefragte Künstlerin.

Um so größer die Enttäuschung, nachdem es sie 1998 aus privaten Gründen nach Bremen verschlagen hatte, dass man im hohen Norden von der Technik der Ganzkörperbemalung nur wenig wusste und schon gar nicht bereit war, dafür Geld auszugeben. Aber sehr schnell hatte sich Efdoxia neue Betätigungsfelder erschlossen. Unter anderem arbeitete sie auch in Bremen wieder als Maskenbildnerin am Goethetheater und als Projektleiterin einer großen Promotionfirma. Viele interessante Jobs, aber keiner auf Dauer. Genau das war sie eines Tages leid. Sie wollte etwas Längerfristigeres, etwas mit Perspektive, mit Aussicht auf Erfolg und Profilierung. Die Zusammenarbeit als Maskenbilderin mit einem Filmemacher brachte endlich den zündenden Einfall. Die Idee der Agentur war geboren !

Sie stellte ihre Idee dem Kreise der sie umgebenden Künstler und Filmschaffenden vor. Die Idee ward für gut befunden. Sie trat an die Bremer Innovationsagentur heran. Auch dort ward die Idee für gut, also förderungswürdig, befunden unter der Vorraussetzung, dass das noch zu erstellende Konzept kaufmännisch ausgereift und auf soliden betriebswirtschaftlichen Beinen stünde. Fortan begannen harte Zeiten für die junge Frau, die sich von ihrem Selbstverständnis her bislang immer mehr als Künstlerin denn als knallharte Business-Frau betrachtet hatte. Um einen ausgereiften Businessplan zu erarbeiten, wurde ihr ein Unternehmensberater zur Seite gestellt.
“Der hat sich manchmal die Haare gerauft. So, wie du dir das vorstellt, funktioniert das einfach nicht, hat er immer gesagt.“
Aber irgendwann müssen diese beiden konträren Persönlichkeiten sich doch zusammen gerauft haben, denn der Herr Berater hatte sein im April 2002 begonnenes Gutachten bereits acht Wochen später fertig gestellt. Es muss so überzeugend gewesen sein, dass die BIAG bereits zum 1.August 2002 die erforderlichen Mittel zur Agenturgründung bereit stellte.

Gleich zu Beginn gelang es Frau Karachaliou, fünfzehn hochkarätige Schauspielerinnen und Schauspieler unter Vertrag zu bekommen. Darunter auch welche, die eigentlich niemals mit einer Agentur zusammen arbeiten wollten. Voraussetzung ist: „Die Chemie muss stimmen.“ Und die stimmt in diesem Falle, weil die Agentin selbst aus der künstlerischen Ecke kommt. Es ist ein gegenseitiges Geben und Nehmen. Efdoxia sieht sich als Spinne im Netz, bezeichnet es als ihre besondere Stärke, Leute aus den verschiedenen Bereichen miteinander vernetzen zu können. So müssen „ihre“ Schauspielerinnen und Schauspieler den Netzwerkgedanken auch mit ihr tragen.

Wie sehr sie ihre „Filmfuzzis“ liebt, ist in dem liebevollen Lächeln, wenn sie von ihnen spricht, zu entnehmen. Diese Liebe muss auch spürbar gewesen sein, als sie ihre Idee das erste Mal vor Schauspielern der Bremer Shakespeare Company vorstellte, denn sie hatte im Nu etliche Mitglieder dieses renommierten Ensembles unter Vertrag. Sie stellen mittlerweile den „Grundstock“ der Agentur dar. Es dürften noch ein paar, aber nicht viel mehr sein, deren Belange und Interessen Efdoxia Karachaliou gegenüber Theater-Film-und Fernsehproduktionen vertritt.
An sie wenden sich die Firmen. Ob sie denn schon einmal ein Angebot oder eine Anfrage abgelehnt habe ? Bestimmte Dinge kommen für sie einfach nicht in Frage und um welche es sich handelt, könne man sich ja denken.
Ansonsten bespricht sie mit ihren Künstlern jedes Angebot, wägt das Für und Wider ab, ehe eine Entscheidung getroffen wird. Sie ist stolz darauf, dass diese bislang immer im Konsens erfolgten.

Instinkt und Intuition sind dabei ihr wichtigstes Kapital. Und die betriebswirtschaftliche Seite ihres jungen Unternehmens ? Hat sie die erforderliche Gewinnerzielungsabsicht mittlerweile verinnerlicht ?
“Learning by doing, ich habe kein Fortbildungsseminar in Betriebswirtschaft, kein Existenzgründerinnenseminar, ich habe in dieser Hinsicht nichts gemacht, weil ich gar keine Zeit dazu hatte. Aber ich lerne jeden Tag dazu, und es macht unheimlichen Spaß.“
Nicht nur Spaß. Die Filmarbeiten im Sommer waren auch ganz schön stressig. Für über hundert Menschen verantwortlich sein, dafür zu sorgen, dass sie pünktlich auf dem Set waren, aber auch was zu essen bekamen und sie bei Regen oder unerträglicher Hitze bei Laune zu halten.
“Aber sie waren nett, sie waren alle unheimlich nett und sooo geduldig.“ Auch in Nichtfilmerkreisen dürfte sich mittlerweile herumgesprochen haben, dass Dreharbeiten zu 90 Przent aus Warten bestehen. Aber die Bremerinnen und Bremer harrten aus,unter ihnen auch der unvergessene Wetterfrosch Winfried Hammelmann, sowie prominente Schauspieler wie Harald Krassnitzer, Claude-Oliver Rudolph, Lea Kurka, Oliver Stritzel, Katja Weitzenböck ....
....denen allen jedoch unweigerlich die Schau gestohlen wurde von den beiden Hauptdarstellern: Charlie und Freddy, ihres Zeichens zwei Humboldtpinguine, eigens aus einem englischen Filmzoo im arktisch temperierten Kühlungswagen angereist. Sie waren das Entzücken aller, einschließlich der neugierig die Dreharbeiten beobachtenden Passanten. Und wenn ihre Trainer es erlaubten, durfte man sie sogar einmal streicheln. Aber nur nicht die Hand über dem Kopf schweben lassen. Dann schnappten sie zu, weil es ja ein frischer Hering hätte sein können....
Zur besten Sendezeit, am 25. Dezember 2003, wurde „Amundsen, der Pinguin“ in der ARD gesendet. Für Efdoxia schon wieder der Schnee vom vergangenen Jahr.

So reist sie zur Zeit kreuz und quer durch Deutschland, um sich und ihre Agentur den „Castern“ vorzustellen. Mittlerweile haben nur noch wenige der großen Film-und Fernsehproduktionen ihre eigenen Besetzungsbüros. Diese Aufgabe übernehmen wiederum darauf spezialisierte Firmen. Diese mit „actors *n faces“ und ihrem umfassenden Dienstleistungspaket bekannt zu machen, hat Frau Karachaliou sich bis Ende des Jahres vorgenommen.
Darüber hinaus stehen schon wieder neue größere Projekte an.
“Ja, ich habe schon wieder einige Optionen laufen. Aber darüber spreche ich nicht, denn sonst platzen sie am Ende noch.“
Nicht Aberglaube, sondern Prinzip. Genau wie es zu ihrem persönlichen Ehrenkodex gehört, niemals eine Schauspielerin oder einen Schauspieler einer anderen Agentur abzuwerben. Dabei gäbe es durchaus einige Wunschkandidaten, gesteht sie versonnen.
Aber mit ihrer Firmenphilosophie: „Im gegenseitigen Vertrauen und gemeinsamen Tragen einer Sache zum Erfolg beitragen“ können „actors *n faces“ und ihre umtriebige Agentin in dieser schwierigen Branche zuversichtlich in die Zukunft schauen.

Mehr Info: actors and faces*


November 2003 by Birgid Hanke, Wirtschaftswetter
Text © Birgid Hanke

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