von Cornelia Schaible
Als Renée Zellweger den Oscar für die beste weibliche Nebenrolle erhielt, öffnete sie ihr Abendtäschchen und entfaltete ein Stück Papier – ihre Dankesrede. Das Täschchen war winzig, kaum größer als ein Brillenetui, besetzt mit vielen funkelnden Steinen. Außer dem Zettel mit der Rede hatte darin höchstens noch ein Lippenstift Platz, bestimmt aber keine Puderdose und auch keine Ersatzstrumpfhose. Woran man sehen kann: Miss Zellweger konzentriert sich auf das Wesentliche. Und eine Handtasche verrät eine Menge über ihre Trägerin.
Denn schließlich geht kaum eine Frau ohne. Ein unauffälliges Anhängsel ist das praktische Accessoire indessen schon lange nicht mehr. In diesem Jahr gleicht keine Tasche der anderen: Es gibt große und kleine, eckige und runde, solche mit langem Riemen zum Umhängen, Baguettetaschen, die man sich unter den Arm klemmt wie eine lange Brotstange, und neuerdings auch wieder jene Exemplare, die beherzt am Henkel zu packen sind. Selbst Traditionsfirmen geben sich solchen Taschen-Spielereien hin.
Die meisten Modelle sind dabei immer noch aus Leder, aber für einen sommerlichen Look darfs auch ein robuster Baumwollcanvas oder Stroh sein. Durchsichtiges Plastik in Bonbonfarben ist ebenfalls der Hit. Überhaupt bekennt das Accessoire Farbe – die Hersteller sind offenbar der Ansicht, dass ihre Kundinnen freiwillig Täschchen in Gelb, Rosa oder Giftgrün ausführen.
Wenn sie sich da mal nicht täuschen. Allem Anschein nach sind nämlich die Auslagen bunter als die Taschen der Frauen, die daran vorbeiflanieren. Eigentlich seltsam, denn in den Taschen-Abteilungen der Kaufhäuser klingeln durchaus die Kassen. Möglicherweise horten neuzeitliche Jägerinnen und Sammlerinnen einfach ihre modische Beute zu Hause im Schrank, um dann doch wieder mit der Tasche loszuziehen, die sie seit schätzungsweise fünfeinhalb Jahren mit sich herumschleppen. Das gute Stück ist einfach so praktisch. Und dass stellenweise das Leder schon ein bisschen schäbig aussieht, fällt im Dauerbetrieb doch gar nicht auf.
Grundsätzlich lassen sich im alltäglichen Leben fünf Taschen-Typen unterscheiden:
Die Beutelfrau. Ihre Tasche hat nur ein Großraumabteil, und da fliegt alles rein. Nachteil: Wenn sie die Hausschlüssel nicht auf Anhieb finden kann, muss sie den kompletten Inhalt auf die Straße kippen – von Jennifer Aniston in „… und dann kam Polly“ eindrucksvoll vorgeführt. Immerhin kann sie ihre geräumige Beuteltasche jederzeit wieder abhängen, das unterscheidet sie von einem Känguru.
Die Organisierte. Genau das Gegenteil der Beutelfrau – ihre Tasche hat ungefähr so viele Fächer wie Gegenstände, die zu verstauen sind. Ihren funktionalen Begleiter führt sie jederzeit gerne vor. „Hier kommt der Terminkalender rein“, erklärt sie dann stolz und zieht einen Reißverschluss auf; auch für den Füller ist eine extra Lasche vorgesehen. Klar, dass sie stets einen Taschenrechner mit sich führt. Alle paar Wochen ist übrigens Taschen-Großputz angesagt, und wenn alles neu einsortiert ist, läuft auch das Leben in geordneten Bahnen.
Die Doppelpackerin. Sie besitzt eine durchdachte, geräumige Tasche oder einen City-Rucksack ähnlich wie die Organisierte, würde es aber jammerschade finden, ihr jüngstes modisches Schnäppchen dafür zu Hause zu lassen. Die Lösung: Nimm zwei. Das hat den Vorteil, dass sie Akten und Schreibkram bequem unterbringt; den Kosmetikkram steckt sie einfach in die flotte Kleine. Und läuft morgens doppelt bepackt im Büro ein. Der Taschen-Trick für abends: Geht sie noch aus, lässt sie die große im Kofferraum ihres Autos.
Die Damenhafte. Wenn sie gerade keine Tasche dabei hat, wundert man sich, warum sie den linken Arm immer so komisch anwinkelt. Kunststück. Das ist einfach eine liebe Gewohnheit. Denn das Henkeltäschchen elegant in der Ellbogenbeuge zu tragen wie die Königin von England, das verlangt einiges an Disziplin. Erstaunlicherweise bringen diese manchmal schon ganz junge Mädchen auf. Allzuviel mit sich herumzuschleppen, empfiehlt sich allerdings nicht – sonst lahmt der Arm. Die eine oder andere Henkeltaschenfrau hat die Sache sowieso lieber im Griff, auch wenn das nicht ganz so schick aussieht. Bei Stehempfängen kann sie dann immer noch einhängen, wenn sie ein Häppchen essen möchte.
Die Experimentierfreudige. Sie besitzt nicht nur eine beachtliche Taschensammlung, sondern benutzt sie auch. Dabei nennt sie sowohl Klassiker ihr Eigen, die sie günstig auf eBay ersteigert hat, als auch ausgefallene Exemplare mit Paillettenstickereien. Einige ihrer Taschen sind so schlicht und formschön, dass man sie ohne weiteres als Kunstobjekte bezeichnen würde. Andererseits zögert sie nicht, bei einer Handtaschen-Party ein flippiges Stück zu erwerben. Wenn sie in die Kneipe geht, stellt sie das Objekt der Begierde gern vor sich auf den Tresen. Nie würde sie eine Tasche passend zu einem Kleid kaufen – höchstens umgekehrt.
Und dann gibt es natürlich noch die notorischen Hosentaschenausbeulerinnen, die Geldbeutel und Kamm einfach in die Jeans stopfen und ohne Tasche auskommen. Nur das Handy müssen sie in der Hand tragen. Deshalb haben viele für ihr Fon so ein putziges buntes Etui mit Trageriemen gekauft. Manchmal geht sogar noch ein Lippenstift hinein.
2004-03-31 by Cornelia Schaible, Wirtschaftswetter
Text + Fotos: ©Cornelia Schaible
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