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Die Hälfte des Himmels - auf Erden

Eine engagierte Frauenintiative wagt die Parteigründung

von Angelika Petrich-Hornetz

Ende September schrieb Norbert Wallet in der Kölnischen Rundschau: Den Grünen fehle auf es einmal an Erkennbarkeit. Die Partei, "die früher in Bundesdelegierten-Konferenzen wie in eine Schlacht" zog, reibe sich im politischen Tagesgeschäft auf, Inhalte treten in den Hintergrund. Und man richte es sich gefährlich kuschelig auf abtrünnigen SPD-Wählern ein, die ganz im Gegensatz zur ehemaligen Basis vor allem aus gut verdienenden, städtischen Akademikern bestehe. Doch bekanntlich wachsen eher Arbeitslose statt Gutverdiener nach. Die zu erreichen - damit haben nicht nur die Grünen momentan ein Problem. Schwammiger werdende Profile und änliche Inhalte, die alle diejenigen unweigerlich zu ereilen scheint, die politische Macht erringen, sorgen dafür, dass der unzufriedenen Bürger, für den man einst Sprachrohr war, in Massen in die innere Immigration umzieht.

Konsequent für Frieden

Eine derjenigen, die mit den etablierten Parteien nicht mehr viel anfangen kann, ist Stefanie Berg, Düsseldorferin und Unternehmerin - also eigentlich eine jener Gutverdienerinnen, die in jeder Partei nur zu gern willkommen sind, zumal Unternehmerinnen in der Politik wirklich rar sind. Doch da macht Frau Berg nicht mit. Im Engagement in den etablierten Parteien sieht sie wenig Sinn. Weder CDU noch SPD vertreten die konsequente Friedenspolitik, die ihr vorschwebt. Und auch die Grünen hätten sich, seit sie in der Regierung sitzen, weitestgehend von ihrer engagierten Friedenspolitik längst verabschiedet.

So etwas will Stefanie Berg nicht mitmachen. Doch das Feld schweigend allen anderen überlassen? Nicht mit Berg und ihrem Polit-Team. Die Unternehmerin gründete entschlossen die Fraueninitiative "Hälfte des Himmels". Huh? Die Hälfte des Himmels? Der kann für vieles stehen - vor allem für eine alte Forderung und gleichzeitig gegen einen seit Jahrtausenden dauernden Widerspruch. Die Natur hatte es nämlich ursprünglich so eingerichtet, dass ungefähr immer die gleiche Anzahl Mädchen und Jungs geboren werden.

Frauen und Männer sind gleich

Frauen und Männer sind also überall gleich verteilt - nur wollte die Umsetzung des Prinzips der gleichen Verteilung auch von Macht und Geld auf beide Geschlechter bisher immer noch nicht so recht klappen. Die politische und wirtschaftliche Macht liegt vor allem in den Händen von älteren Herren, die sich - absichtlich oder unabsichtlich sei dahingestellt - in schönster Regelmäßigkeit anstrengen, das, was einerseits aufgebaut wird - wieder genauso erfolgreich und gründlich in Schutt und Asche zu legen. Irrwitzig, sei das. Das sagten früher auch die Grünen, doch obwohl es in deren Partei wesentlich mehr Politikerinnen als in anderen gibt, sei das noch nicht genug, so Berg und erkennt gerade in einer starken Beteiligung von Frauen in der Politik die wahre Chance für den Frieden und Himmel auf Erden.

Ein berühmter Mann gibt der Gründerin der "Hälfte des Himmels" uneineingeschränkt Recht, die ihre Initiative pünktlich zu Bundestagswahl 2006 als Partei aufstellen wird:

"Erst mit der Integration der Frau kann die Gesellschaft eine humane werden". meinte Henrik Ibsen.

Männer sind in der Fraueninitiative "Hälfte des Himmels" stets willkommen, als aktive Mitglieder oder Förderer - müssen jedoch die verantwortlichen Posten zumindest vorerst den Frauen überlassen, denn so Berg, schließlich hätten Männer mit politischen Ambitionen zig andere Parteien zur Auswahl, in denen sie ständig bevorzugt werden.

Ein großes Ziel der Initiative ist der Frieden, der soziale, der zwischen den Geschlechtern und der zwischen den Völkern. Dieser sei unmittelbar an Fairness gekoppelt sagt Stefanie Berg und nur mit einer faireren Wirtschaft sei Frieden politisch machbar. Arbeit und Menschenwürde seien dabei untrennbar miteinander verbunden. Das ist nicht neu und scheitert ständig und kläglich an der Umsetzung. Neu dagegen ist, dass die Fraueninitiative ihr Augenmerk deutlich stärker als etablierte Parteien auf die Zukunftschancen von Kindern und Jugendlichen richtet - zum Beispiel für eine stärkere Förderung von Ausbildung und gerechter Verteilung für die nächste Generation eintritt und das global - Globalisierung im positiven Sinn.

Jugendliche werden bis heute von den großen Parteien eher sträflich vernachlässigt, was sich rächt, denn zumindest um die inländische Jugend, kümmern sich bedauerlicherweise vor allem die rechten Parteien und das mit zunehmendem Erfolg. Die Unfähigkeit der linken Parteien, die ganz jungen Gruppen für Politik zu interessieren, könnte der Fraueninitiative junge Wählerinnen einbringen, wenn sie ihre Pläne umsetzen kann und es nicht bei Lippenbekenntnissen bleibt.

Eine vernünftige Umgestaltung der sozialen Systeme ist wie in allen Parteien eines der dringenden Anliegen der "Hälfte des Himmels" und hier wollen die Frauen z. B. ganz konkret den Graben zwischen Niedrig- und Höchstverdienern verringern. Auf der Webseite der Initiative findet man die Information, dass dieses Verhältnis ausufert - vor zwanzig Jahren 1:45 steht der Unterschied gegenwärtig bei 1:500. Dass manches Einkommen Superreicher zur Finanzierung eines kleinen Staates reichen würde, ist längst kein gut gehütetes Geheimnis mehr. Ein noch weiter "ausufernder" Graben würde den sozialen Frieden in Deutschland gefährden, aber auch weltweite Verteilungskämpfe verschärfen. Die Bismarcksche Sozialpolitik aus dem 19. Jahrhundert sei zudem veraltet - eine alternde Gesellschaft brauche andere Modelle, als eines, welches davon ausging, dass viele das Rentenalter gar nicht erreichten - womit kaltschnäuzig gerechnet wurde.

Langfristig, so Stefanie Berg, käme man nicht darum herum, den Lebensstandard in Deutschland dem Machbaren unterzuordnen, d. h. der Lebensstandard in Deutschland werde nicht mehr steigen, sondern punktuell eher sinken, so sagt sie ganz klar und ohne Umschweife, wobei sie betont, die Initiative "Hälfte des Himmels" - trotz des poetischen Namens - wolle den Menschen keine unzeitgemäßen Versprechungen machen, die nicht funktionieren werden. Sie will die Dinge beim Namen nennen und nicht schönreden, wie es bei den üblich verdächtigen Wahlversprechen der Fall sei.

Bürgerinnengeld - fast eine Grundsicherung

Ganz eindeutig bekennt sich die zukünftige Partei auch zu einem Bürgerinnengeld, welches wie eine Grundsicherung für alle funktionieren soll. Weil die Sozialsysteme umgebaut werden müssen und die bisherige großzügige soziale Sicherung alles andere als selbstverständlich sei, müsse man dieser Sicherung viel mehr Aufmerksamkeit verschaffen, als Einzelnen (zu) hohe Einkommen zu garantieren. Außerdem gäbe es immer weniger (bezahlte) Arbeit, wobei die Arbeit als solche nicht abnimmt - man denke nur an die kostenlose Arbeitszeit in der Familie, in der Pflege und in Ehrenämtern, die vorwiegend Frauen ausfüllen. Mit dem Bürgerinnengeld, so Berg, hoffe man, gegen Alters- und Kinderarmut ein langfristig wirksames Mittel zu installieren.

Um diese Förderung sozialer Strukturen, hoher Umweltstandards und fairer Löhne im In- und Ausland zu durchzusetzen, nennt Berg die Vorrausetzungen: Unterschied zwischen Niedrig- und Höchstlöhnen höchstens 1:30 - Reduzierung der Wochenarbeitszeit auf 30 Stunden plus 10 Stunden soziale Arbeit, die mit Steuervergünstigen belohnt werde - Volle Erwerbstätigkeit für Frauen und Männer - Dienstleistungszentren für Privathaushalte - Eigenverantwortlichkeit der Bürger - Abbau von Alleinverdiener-Familienmodellen und Ausbau der Kinderbetreuung - Fairer Handel als Einfuhrkriterium der EU - eine durchgehende Frauenquote, die bis zur Angleichung an reale Verhältnisse (50:50) bestehen bleibe - Verzicht auf die Produktion den Handel und den Einsatz von und mit Waffen und Einrichtung eines Friedensministeriums - Abbau von Armut als Grundrecht in der Verfassung - Einführung der Tobin-Steuer (Besteuerung internationaler Finanzaktionen) - Einführung des Bürgerinnengelds - Förderung regenerativer Energien auf allen Ebenen - eine Ökosteuer nach dänischem Vorbild - Ausbau des öffentlichen Personen- und Güterverkehrs- Bürokratieabbau - Bekenntnis zu einer multikulturellen Gesellschaft mit geregelter Zuwanderung - um einige zu nennen.

Soviel anders als die Pläne der etablierten Parteien klingt das nicht immer. Ob sich Stefanie Berg vorstellen kann, über die Arbeit in den vorhandenen Parteien etwas zu erreichen? Die Antwort kommt prompt: Nein, sagt sie - in den etablierten Parteien scheitern solche Vorschläge bereits auf den untersten Ebenen und haben damit keine Chancen, obwohl sie es inhaltlich verdient hätten. Solche kreativen Ideen wie z.B. Vätern und Müttern, die den Kindesunterhalt verweigern, den Führerschein zu entziehen, werden höchstens hinter vorgehaltener Hand diskutiert. Oder eine "Aufwandssteuer für Männer" bis von den 85 Prozent männlicher Inhaftierter in Gefängnissen 50 Prozent Frauen sind - ein beliebtes Thema in kriminologischen Fachkreisen, aber wer gibt schon gerne offen zu, dass Gewalt auch in Deutschland vor allem männlich ist? Man könnte ja in eine Ecke gestellt werden und Wähler vergraulen .

So ungewöhnlich vieles klingen mag: Vieles erscheint einfach vernünftig, einiges ist neu plus ein paar alter nie umgesetzter Ideen und doch rüttelt die Hälfte des Himmels kräftig an sehr vielen, zwar überholten, aber eingespielten Säulen der Gesellschaft und wird damit erklärungsbedürftig. Dem kommt die Chefin gern nach und redet sich den Mund fusselig, wobei sie immer mehr an der Basis punktet. "Die da unten" verstehen die da oben - nämlich die Politiker immer weniger. Die Politik-Verdrossenheit nimmt bekanntermaßen zu, die Wahlbeteiligung dagegen ab. Vorteil Berg: Sie wird verstanden, wenn sie spricht. Als gewiefte Pressefrau bringt sie hier auch das nötige Handwerkszeug mit, das vielen Politikern auch noch nach jahrzehntelanger Debatten-Tätigkeit im Bundestag immer noch ganz plötzlich abhanden kommt oder nie vorhanden war.

Politik aus Überzeugung

Stefanie Berg ist davon überzeugt, dass jeder Mensch auf der Welt an Wohlstand teilhaben kann und dass weltweite demokratische, soziale Strukturen diesen Wohlstand gewährleisten. Aber geht sie damit nicht von "Gutmenschen" aus? Was sagen die Weltkonzerne? Werden sie nicht tunlichst einen großen Bogen um einen Standort einlegen, an dem nur noch 30 Stunden gearbeitet werden und in dem die Einschränkung des grenzlosen Kapitalismus' ein erklärtes politisches Ziel ist? Stefanie Berg ist sich dessen wohl bewusst, dass solch ein Paradigmenwechsel wie ihn ihre Initiative und zukünftige Partei anstrebt, nicht von heute auf morgen machbar ist.

"Aber einer muss anfangen", sagt sie überzeugt und ist felsenfest der Meinung, dass es möglich ist. Zudem glaubt sie an das Potenzial von Menschen. Und auch darin ist sie schon um Einiges weiter, als viele ihrer Politiker-Kollegen. Stefanie Berg wird im nächsten Jahr die Hälfte des Himmels als Partei anmelden. Sie lehnt die Macht der Politik nicht ab und will tatsächlich die Fünf-Prozent-Hürde knacken und dennoch: Sie will nicht in erster Linie Macht - sie will vor allem initiieren, mitmischen, Ideen einbringen, zum Umdenken anregen, die Diskussion über konkrete Maßnahmen zur Umsetzung des Weltfriedens ein gutes Stück vorantreiben und sich mit ihren MitstreiterInnen für Fairness und Chancengleichheit einsetzen, über alle Parteigrenzen hinweg. Und das ist lobenswert.

2004-09-30 by Angelika Petrich-Hornetz, Wirtschaftswetter
Text: © Angelika Petrich-Hornetz
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