von Joy Fraser
Kurz bevor die Schule wieder anfängt, bereitete man sich geistig bereits auf den Winter vor. Man sprach davon, was für ein schöner Sommer es doch gewesen "war". Abends ist im August bereits eine Jacke von Nöten, während es tagsüber noch um die 25°C warm werden kann. Der Sommer 2004 war heiß, berichteten die Einwohner. Über 30°C hätte man ertragen müssen, und eine sengende Sonne, so hoch in den Bergen. Aber man beschwere sich nicht, denn schließlich komme der lange Winter früh genug. Ich freute mich zu hören, dass es selbst über dem 60. Breitengrad einen richtigen Sommer gibt, wenn auch nur für ein paar Wochen.
Nicht von Wärme verwöhnt geht man dennoch den amerikanischen Weg und kühlt Restaurants und Geschäfte unangenehm ab. Klimaanlagen und große Deckenventilatoren rattern überall, sodass man sich bei McDonalds leicht mal eine Lungenentzündung, entzündete Augen und eine ruinierte Frisur holen kann. Wir lernten schnell, immer eine Jacke über dem Arm dabei zu haben, falls man ein Gebäude betreten möchte. Rote Nasen holt man sich ebenfalls wenn man sich zu lange im künstlichen Winter der Milchproduktabteilung eines Supermarktes aufhält. Hier wird nicht nur die Ware frischgehalten, sondern auch der Kunde.
In weiser Voraussicht hatten wir uns die in Kanada obligatorischen Schildkappen angeschafft. Die sind gut gegen Ventilator-Scheitelfrost, Windböen, plötzlichen Nieselregen und extreme Sonneneinstrahlung, auch wenn sie die Föhnfrisur eindellen. Die Sonne hat mehr Gewalt in den Bergen, und die Tage sind entsprechend gleißend hell. Ohne Sonnenbrille könnte man seine Augen schädigen.
Pünktlich Anfang September schaute das Wetter auf den Kalender und über Nacht befand sich plötzlich Schnee auf den Bergspitzen rund um Whitehorse, was bis nächsten Mai auch so bleiben wird. Noch waren sind die Tage warm, doch die Nächte wurden erheblich frischer. Nachtfrost stellte sich ein, und beendete abrupt das kurze Leben sämtlicher Balkongeranien und Sommerblumen in den Gärten und vernichtete damit die letzten Reste von bunten Farbkleksen im Grau-Grün der Berglandschaft. Keine Spur war mehr zu sehen von den pink blühenden, langen dünnen Stielen der Fireweed-Pflanze (dem Flocks ähnlich) - Yukons Nationalblume - die den ganzen Sommer über wilde Wiesen und Straßenränder verschönert hatte.
Anfang Oktober wurde klar – der Sommer ist vorbei. Sturmartige Windböen jagden über das Land, legten Bäume auf Stromleitungen, sodass oft das Licht flackerte oder ganz starb. Die Nächte waren weit unter Null, und trotz vieler Sonnentage wurde die Winterjacke allmählich zur zweiten Haut. Manchmal schneite es, auch wenn noch nichts liegen blieb. Bei kuscheligen minus 5°C Grad morgendlicher Temperatur laufen kanadische Kinder noch immer im T-Shirt zur Schule. Tapfer, tapfer.
Die Klimaanlage bei McDonalds lief weiter.
Ende Oktober wurde der Schnee hartnäckiger. Er blieb uns jetzt oft den ganzen Tag erhalten. Die Temperaturen sanken auf minus 11°C, und kanadische Kinder hatten jetzt Jacken an, machten sie aber nicht zu. Der Nachbar hinter uns wurde mit nacktem Oberkörper in seinem Garten gesichtet. Scheinbar wollte er seine Katze reinholen und fand es nicht kalt genug, um sich schnell etwas überzuziehen.
Die Klimaanlage bei McDonalds lief immer noch.
Der Whitehorse Radiosender berichtet, dass die Jagdsaison für Karibus geendet hat, und man solle das bitte berücksichtigen. Außerdem findet im High Country Inn eine Veranstaltung statt: "Wie man den Winter überlebt, von der ersten Schneeflocke bis zum letzten Schneeball". Vom Umgang mit den richtigen Handschuhen, Stiefeln, die dazu geeignet sind bis minus 70°C warmzuhalten, über tragbare Autobatterien die bei Stromausfall auch Licht und Wärme im Haus generieren, bis hin zu Tipps wie das Auto bei minus 50°C doch noch anspringt.
Meine Tochter meinte, vielleicht hätten wir bei dieser Veranstaltung auftauchen sollen.
Ich antwortete, bei der Veranstaltung fehle eindeutig das Thema: "Wie man bei McDonalds überlebt".
Bisher wurde die kalte Jahreszeit immer wieder von warmen Tagen in Schach gehalten. Der warme "Chinook" Wind ist dafür verantwortlich, und taucht durch den ganzen Winter immer mal wieder auf. Er kann eine dramatische Temperaturschwankung von beispielsweise –17°C auf plus 13°C in nur vier Stunden verursachen.
Der Wind entsteht durch feuchte Wetterlagen an der pazifischen Küste, die sich beim Erklimmen der westlichen Rockys abkühlen und rapide erwärmen, wenn sie an der östlichen Seite herunterfallen. Der Chinook kündigt sich meist durch einen plötzlichen Richtungswechsel des Windes und eine Zunahme der Windgeschwindigkeit an. Der Schnee schmilzt, Seen beginnen aufzutauen, der Kanadier wirft die Daunenjacke in den Schrank und holt die Shorts heraus.
Was für den Menschen ein warmer Segen mitten im tiefsten Winter ist, kann tödlich für die Natur sein. Die weiße Birke beispielsweise reagiert sehr empfindlich auf plötzliche Temperaturschwankungen. Sie lässt sich täuschen und glaubt der Frühling ist zurück. Wenn der Baum aus dem Winterschlaf erwacht, fängt er mit der Photosynthese an, aber dazu braucht er Wasser. Der Boden ist immer noch gefroren, also verdörrt der Baum. Rot in der Sonne glänzende Waldstreifen sind nicht etwa von einer Baumkrankheit befallen, sondern zeigen die Chinook-Opfer.
Ob warmer Chinnok oder eisige Kälte, der gemeine Bär geht zwischen Oktober und November in den Winterschlaf, und der Mensch wird sich in den nächsten Monate mehr in seinem Haus aufhalten als ihm lieb ist. Manchmal denkt er, der Bär macht es richtiger. Er bekommt auch keinen Höhlenkoller (auf kanadisch: "cabin-fever"). Dem Menschen bleibt nicht viel mehr übrig, als sich seine Höhle wenigstens so wohnlich wie möglich zu gestalten.
Im Yukon, genau wie im Rest Kanadas, hält man nicht viel vom Miete zahlen. Warum das Geld zum Fenster hinauswerfen, wenn man es in die eigene Tasche zahlen kann? Was bei uns in den Siebzigern noch Realität war, trifft hier noch immer zu: Kaufen ist billiger als mieten. Die Zinsen erlauben eine Rückzahlung in angenehmer Weise, und wenn man bereits nach fünf Jahren tatsächlicher Besitzer seines Hauses sein möchte, kann man das durch freiwillige Mehrzahlung erreichen. Schon fünfzehn Dollar monatlich mehr verkürzen die Kreditlaufzeit um Jahre.
Häuser sind die beste Wertanlage, besonders in einer Stadt die sich wachsender Beliebtheit erfreut, wie Whitehorse. Manche Häuser sind nur zwanzig Minuten auf dem Markt. Die Nachfrage ist riesengroß, und man muss pfeilschnell handeln.
Kaufen und verkaufen ist denkbar einfach, denn es umfasst längst nicht so viele unangenehme Umstände wie in Deutschland. Küche kaufen, Abstandszahlung für Teppiche, Gardinen oder Lampen, all das fällt weg weil ein Haus normalerweise mit folgendem Zubehör, in Deutschland als "Extras" bekannt, verkauft wird :
Einer Waschmaschine und einem Trockner, einer kompletten Küche mit sämtlichen Elektrogeräten. Vorhänge und Innenrollos bleiben ebenfalls drin - falls der Käufer es wünscht, sowie Deckenlampen, Einbauschränke in Fluren und Schlafzimmern, Badezimmermöbel, Regale in Arbeitsräumen, Stauräumen oder in der Garage.
Praktisch alles, was fest eingebaut ist, lässt man auch drin. Es würde niemandem einfallen Regale aus einem Stauraum oder der Garage abzuschrauben und mitzunehmen, oder gar die Deckenlampen, wenn man sein Haus verkauft, weil in dem Neuen höchstwahrscheinlich sowieso noch welche drin sind. Man denkt praktisch und macht sich nicht lange herum mit der Farbe oder Art eines Regals, Hauptsache da ist Stauraum. Ändern und austauschen kann man immer noch, zunächst einmal möchte man in ein fertiges und praktisches Heim einziehen. Ich mag diese Einstellung.
Baut man ein neues Haus, baut die Hausfirma die gewünschte Küche gleich mit ein, Badezimmermöbel, Außenlichter, Innenlichter, notwendige Elektrogeräte, die gewünschte Wandfarbe, Teppiche, und eben alles was man unter dem Wort "schlüsselfertig" verstehen sollte. Extrakosten für Dinge wie Außenlichter entstehen so nicht, denn der Komplettpreis ist eine feste Sache von Anfang an. Ein vollkommen leeres Haus zu übernehmen, so wie in Deutschland, erzeugt ungläubiges Staunen auf den Gesichtern der Kanadier.
Überraschende, im Voraus nicht kalkulierbare Nebenkosten, wie beim Bauen in Hanglage oder anderem schwierigen Gelände, gibt es auch nicht. Die Baugesellschaft schaut sich alles vorher an und übernimmt den gesamten Ablauf. Ein Endpreis wird genannt und nicht überschritten. Man hat keinen Bauherrenstress, muss nicht selbst zu zig Behörden laufen, sondern kann sich entspannt zurücklehnen und abwarten bis das Haus steht. Sogar das umliegende Gelände wird gartenfertig zurecht geschoben. Alles im Preis inbegriffen.
Ein Anruf bei der Elektrizitätsgesellschaft, Telefon- und Fernsehgesellschaft, und schon kann man einziehen und drauflos leben: einfach himmlisch.
Die Preise für ein Haus, neu oder gebraucht, richten sich nach der Beliebtheit der Gegend. Um Vancouver, wo ein Großteil aller kanadischen Einwohner residiert, kostete 2004 ein durchschnittliches Einfamilienhaus um die 500.000 kanadische Dollar, während man genau das gleiche Haus in Whitehorse für um die 200.000 Dollar bekommen konnte. Die Größe des Grundstückes hängt dabei ebenfalls von der Lage ab. In Ballungsgebieten sind die Parzellen kleiner. Je begehrter die Lage, was meist stadtnah bedeutet, desto höher der Preis. Draußen auf dem Land wird es schon erheblich billiger, aber man muss die Zeit für das Pendeln zur Arbeit berücksichtigen.
Das Straßennetz außerhalb der Städte lässt überall zu wünschen übrig. Menschen außerhalb Vancouvers nehmen Fahrtzeiten von bis zu zwei Stunden auf sich, weil es nur eine einzige zweispurige Straße in die Millionenstadt gibt. Und das jeden Morgen und jeden Abend.
Kanadas Bevölkerung nimmt schneller zu als das Straßennetz aufgestockt werden kann.
Fünf Stunden nordöstlich von Whitehorse liegt die Stadt Faro. Vor kurzem wurde dort eine große Zink-Mine geschlossen, und jede Menge Arbeitsplätze gingen verloren. Das bedeutet, man kann dort heute absolute Traumhäuser für rund 70.000 Dollar erwerben. Nur ein paar Rentner leben noch dort, und die Stadt ist zu einer Art moderner Geisterstadt geworden. Ein Geheimtipp für Ruhesuchende - paradiesisch inmitten der Berge gelegen, ähnlich wie Whitehorse.
Nebenkosten für Müll und Wasser sind in Whitehorse lächerlich gering. Das Wasser wird pauschal bezahlt, sodass man verbrauchen kann soviel man möchte. Kanada hat kein Wasserproblem, und nun wird gemunkelt, dass Kanada vielleicht Bushs nächstes Ziel sein wird, denn die USA brauchen dringend Wasser.
Hat man es sich erst einmal in einem kanadischen Haus gemütlich gemacht, gewöhnt man sich auch an die neuen Dinge, die einen erwarten.
Viele der dreifach verglasten Fenster werden aufgekurbelt, oder zur Seite geschoben. Andere lassen sich gar nicht erst öffnen. Es gibt keine Außenrolläden, denn die würden dem Frost nicht standhalten. Man benutzt Innenrollos und dicke Gardinen, um sich von der Außenwelt abzuschirmen.
Nur ältere Häuser verfügen über einen offenen Kamin, denn man fand heraus wie ineffizient sie heizen, und wie sehr es bei knackigen Minusgraden durch sie hineinzieht. Die meisten Leute stopfen Styropor in ihre Kamine um sie abzudichten. Obwohl das Öl billiger ist als in Europa will es doch bezahlt werden, und Heizkosten sparen ist ein Thema bei einer Heizperiode von neun Monaten.
Türklinken sind runde Knöpfe, die man beim besten Willen nicht mit dem Ellenbogen öffnen kann, und deren integrierte Verriegelung ein trickreiches Unterfangen ist. Man kann drehen, drücken und ziehen wie man will, in jede erdenkliche Richtung, das Schloss bleibt offen. Die Angst, sich in einem Raum einzusperren, oder bei unverschlossener Haustür schlafen zu gehen, legt sich nach einer Weile.
Viele Häuser haben eine "vaulted ceiling". Das ist eine nach oben gewölbte Zimmerdecke, da der Platz unter dem Dach mit ausgebaut wird. Manchmal gewölbt wie in einer Kirche, aber meist spitz zulaufend. Es sieht hübsch aus, und macht Räume höher. Oft wird dort das Wohnzimmer oder das Esszimmer untergebracht.
Der allgemeine Einrichtungsgeschmack ist europäisch - sagen die Kanadier. In meinen Augen ist er zwar europäisch, aber mindestens um eine Generation zurück. Möbel für Menschen, die in Deutschland jetzt sechzig Jahre alt sind. Kanada würde ihre Herzen höher schlagen lassen.
Man ziert Regale und Sideboards mit Porzellanengeln und Staubfängern, die in Deutschland unter dem wenig schmeichelnden Begriff Kitsch bekannt sind. Wenn man genau hinschaut findet man gelegentlich etwas wirklich Hübsches, etwas Edles und Geschmackvolles. Aber das Gros ist Massenware, die man in Frankfurt auf dem Flohmarkt findet.
Interessant ist, dass sich die Einrichtung eines Hauses von einer dreißig bis vierzigjährigen Person nicht wesentlich von der eines Rentners unterscheidet. Es gibt kaum ein Mittelding zwischen den Generationen. Alle benutzen die gleichen Bordüren rund ums Wohnzimmer, die gleichen Vorhänge, die gleichen gehäkelten Zierdeckchen und Blumenvasen, haben die gleichen hochglanzpolierten dunklen Holzoberflächen mit Intarsien, und sechseckige Beistelltischchen auf gedrechselten dünnen Beinen. Wenn ich den Stil bestimmen müsste würde ich sagen Britisch. Durch und durch alt London aus den Fünfzigern.
Neues und Innovatives kommt nicht gut an. Wir betrachteten uns eine Holzkommode mit dunkelblauen Schubladen, die wir in Erwägung gezogen hatten. Der Ladeninhaber bot sie uns billiger an, denn er konnte sie nicht verkaufen. Zu neumodisch, meinte er.
Chrom und Schwarz begeistert sehr junge Leute, aber auch hier ist die Auswahl bescheiden.
Schwedische Möbel kosten ein Vermögen, und sehen nicht so aus wie in Schweden. Sie bestehen aus einfachen dünnen groben Kiefernplatten ohne jegliches Design.
Das Kaufhaus mit dem Elch gibt es nur in den Großstädten, sodass man dazu verdammt ist sich aus dem Angebot etwas weniger schmerzliches auszusuchen. Sich dem Land entsprechend rustikal einzurichten stellte ich mir leicht vor. Rustikal, aber dennoch nicht pseudo-bayerisch. Weit gefehlt! Der sogenannte Country-Style ist einfach schrecklich. Billiges Holz, lieblos zusammengeleimt, augenbeleidigende Stoffbezüge, keine Spur von Charme, Bayern für Arme.
Bleibt einem also nichts anderes übrig, als sich unterzuordnen und mit schweren dunklen altmodischen Möbeln, verspielten Lampen aus den Zwanzigern und protzigen Kronleuchtern vorlieb zu nehmen?
Wir fanden einen Ausweg, God bless Canada! In manchen Möbelhäusern gibt es einen Stil, der an deutsche Antikstücke erinnert. Die Möbel sind aus Vollholz, honigfarbene Eiche, oder Eiche antik, unverschnörkelt und fein gerundet. Sehr ästhetisch und wunderschön -
und preisgewaltig. Was tut man nicht alle, um sich in seiner Höhle wohl zu fühlen?
Ein Vollholz-Schlafzimmer dieser Art ist eine Augenweide. Es macht den Raum warm und gemütlich, und sieht wertvoll aus, ohne altmodisch zu wirken. Da hatten wir ihn endlich, unseren Stil.Ein Schlafzimmer beinhaltet logischerweise ein Bett. Das schöne Holzbett war nun da, und nun ging es darum, es mit etwas zu füllen, bevor wir es mit uns selbst füllen konnten.
Kanadische Betten sind Objekte zum Anschauen und rufen Ohs und Ahs hervor, diese Schmuckstücke des Schlafzimmers. Und völlig unpraktisch. Es gibt irrwitzig viele verschiedene Laken, Kissen und Zudecken, für die man eine Gebrauchsanweisung benötigt. Als erstes muss man wissen welche Größe man hat. Wir haben ein Queen-size-Bett, unsere Tochter hat ein Double, und wir alle haben Bettdecken in Twin-size. Das ist schon mal ganz schön verwirrend, aber es wird noch besser. Laken heißen "sheets" und kommen in folgenden Größen, wobei in Whitehorse immer genau das ausverkauft ist, was man gerade braucht: King, Queen, Double, Twin, Single.
Ein King-size Bett ist riesig, und passt selten in ein Standard-Schlafzimmer. Vier Personen könnten gemütlich darin schlafen.
Queen-size ist praktisch ein französisches Bett.
Double-size ist ein paar Zentimeter kleiner als ein Queen.
Twin-size ist noch ein bisschen kleiner.
Single-size ist ein 80 Zentimeter Minibett, das sowieso kein Mensch kauft.
Es gibt das spread sheet, was ein einfaches Bettlaken ist.
Ein fitted sheet ist ein Spannbetttuch.
Ein cover sheet ist eine Tagesdecke.
Einfach nur als sheets bezeichnet man ein großes Laken für zwei Personen (die kanadische Bettdecke), das unter einer Tagesdecke liegt und öfter gewaschen wird als die große bettüberspannende Tagesdecke.
Ein duvet ist unsere normale dicke Bettdecke.
Ein duvet-cover ist ein Bettbezug, mit seitlichem Einstieg.
Ein pillow case ist ein Kissenbezug.
Ein sham ist ein Kissenbezug mit niedlichem Flatterrand für ein dickes Kissen, das zum Lesen im Bett dient, und tagsüber das Bett ziert, farblich passend zur Tagesdecke.
Nun müsste ich wohl langsam fertig sein, aber nein, ich habe noch eine Kleinigkeit vergessen.
Als bedskirt bezeichnet man einen "Rock" rund um das Bett, denn die Sprungrahmen sind genauso hoch wie die Matratze, sodass sie immer unten rausschauen, was dumm aussieht, weil sie meist ein auffallendes Blümchenmuster haben, das sich mit der Bettwäsche beißt. Also hängt ein nettes Röckchen um das Bett herum. Man wählt es farblich passend zur Tagesdecke, damit das Ganze eine schön anzuschauende Einheit bildet, die protzig fast das ganze Schlafzimmer einnimmt.
Beim Anblick eines solchen Monsters von Bett, inklusive Nachtische mit schweren Lampen darauf, plus einem hohen Kopfteil des Bettes, das oft überdimensioniert aussieht, als solle es einem König gebühren, wird man unweigerlich an die "Prinzessin auf der Erbse" erinnert.
Jeder Bestandteil der Bettbezüge muss einzeln erworben werden, sodass eine komplette Doppelbettausstattung leicht 500 Dollar kosten kann. Und dann hat man erst einen Satz Bezüge. Dieser sollte einem besser so schnell nicht langweilig werden.
Dicke Bettdecken, die duvets und duvet-covers, sind Raritäten. Die Kanadier schlafen zu zweit unter dem riesigen flattrigen dünnen sheet, oben drauf die Tagesdecke oder ein duvet ohne Bettbezug. Das sheet macht aus mir im Laufe der Nacht eine Roulade, oder es verschwindet völlig und findet sich um meinen Mann gewickelt wieder. Manchmal auch auf dem Fußboden.
Bettenmachen dauert in Kanada eine halbe Stunde. Aus all diesen Gründen beschloss ich mich nur mit der Bettdecke (duvet) und Bezug (duvet-cover) abzugeben, so wie in Deutschland. Nun bin ich ständig auf der Jagd nach schönen Bezügen, denn da das kaum jemand so macht, ist die Auswahl verschwindend gering. Leider passen deutsche Bezüge überhaupt nicht.
Eine nette Verkäuferin im Walmart erzählte mir ihre Betten-Leidensgeschichte. Sie findet die Auswahl auch bescheiden, und versucht ständig etwas Schönes zu ordern, aber sie kriegen es einfach nicht rein. Das sei wohl der Preis für das Leben "in the great white North", meinte sie. Eine 25.000 Einwohner Stadt am Po der Welt wird eben nicht so gut beliefert wie eine Großstadt. Sie lässt sich Bettzeug schicken von Freunden in den USA und anderen Teilen Kanadas. Das Porto koste ein Vermögen, aber es sei es wert.
Die Neuware, die Walmart grade reinbekommen hat, trifft nicht so recht unseren Geschmack, freundlich ausgedrückt. Die Verkäuferin und ich standen davor mit verzogenen Gesichtern. Das Zeug erinnerte an altenglische Schlösser. Mit Brokat, Goldrändern und Samt. Tja, wenn ich in einem Schloss wohnen würde! In unserem Haus würde so ein King-Louis-Protzbett lächerlich aussehen (obwohl der Kronleuchter im Esszimmer durchaus in diese Richtung tendiert).
Außerdem ist es unhygienisch. Man muss diese Decken und Kissen mit Bommeln und all dem Kitsch, reinigen lassen, und ich fragte mich wie oft die Leute, die so etwas kaufen, das wohl tun. Ein unangenehmer Gedanke.
Die Verkäuferin stimmte mir zu, und wir gingen wieder ans Otto-Normalverbraucher-Baumwollregal, wo uns ein paar blaue Gefängsnisstreifen-sheets und andere langweilige Muster erwarteten, die plötzlich ganz nett aussahen. Besser das, als kratzige Brokatgardinen im Bett, die den alten Ludwig den 14. zum Erscheinen beschwören würden.
Ich verließ den Laden dann mit einem cremefarbenen Queen-size-Fleece-Spannbettlaken, das wärmste Betttuch das ich je gesehen habe. Jetzt konnte der Winter kommen.
Damit man seine Freizeit neben dem Wintersport, den man meist nur am Wochenende wahrnimmt, denn nach der Arbeit ist es zu dunkel, nicht nur hinter einem Buch oder vor dem Fernseher verbringen muss, sollte man einen Computer besitzen. Im kanadischen Winter ist der Kontakt zur Außenwelt wichtig, und es macht unsere Verwandten ungeheuer glücklich uns davon zu berichten, wie warm doch ihr Winter dieses Jahr ist, und dass sie sich nicht mehr daran erinnern können wie Schnee aussieht. Email und Chatprogramme lassen die Distanzen schrumpfen. Auch ist der Computer wichtig für unsere Tochter, die viele ihrer Schularbeiten damit erledigt.
Das kanadische Schulsystem ist dem amerikanischen sehr ähnlich. Oft hört man Schlechtes vom nordamerikanischen Schulsystem, obwohl das deutsche auch nicht der Weisheit letzter Schluss ist. Unsere persönlichen Erfahrungen mit der Schule sind gut. Die Weisheit: "Du lernst nicht für die Schule, sondern für das Leben", wird den Schülern hier viel bewusster gemacht. Den Kindern wird klar, dass sie nur etwas erreichen, wenn sie etwas dafür tun. Ich habe deutsche Lehrer sagen hören: "Ich gebe Hausaufgaben auf, aber ich kontrolliere sie nicht. Ihr seid alt genug, und wenn ihr sie nicht macht, dann werdet ihr schon sehen, wohin euch das bringt." Die Kanadier dagegen benutzen das "positive reinforcement", die positive Bestärkung, um ihre Anliegen in das von der Pubertät vernebelte Bewusstsein der Kinder eindringen zu lassen.
Sie geben dem Kind eine kleine Belohnung für alles was es tut, so wie man einem Pferd ein Stück Zucker gibt.
Nichts bleibt unbewertet. Die Belohnung mutet manchmal wie Bestechung an, wenn es beispielsweise darum geht die Unterschrift der Eltern auf ein Zwischenzeugnis zu bekommen. Für das Abgeben des Zeugnisses mit der Unterschrift bekommt das Kind 10 Punkte auf das Punktekonto gutgeschrieben.
Alles läuft computerisiert, alles wird exakt festgehalten, und arbeitet darauf hin, genügend Punkte zu sammeln um den Highschoolabschluss zu schaffen.
Es ist ein bisschen wie ein Spiel, und es werden ständig neue Anreize gegeben, mitzuspielen und Punkte zu ergattern. Fünf Punkte für früheres Abgeben einer Aufgabe, oder 10 Punkte für einen ausführlicheren Text, 3 Punkte für Internetrecherche, usw., die Variationen bleiben dem Lehrer überlassen.
Um zu bestehen braucht man nur 52 Prozent der gesamtmöglichen Leistung zu erreichen. Um sich diese zu erarbeiten, braucht man nichts weiter zu tun als bei den Kursen anwesend zu sein, und seine gelösten Aufgaben abzugeben. Damit kann man sich faul und gemütlich durch die Schuljahre mogeln, selbst wenn die Leistung nur am geforderten Minimum entlang schleicht.
Hat man vor, später eine Universität zu besuchen, muss man schon mehr leisten, denn diese Institutionen schauen auf die Noten. Dann muss man sich bemühen alle möglichen Punkte am Wegesrand einzusammeln, und die Hausaufgaben pünktlich und in exzellentem Zustand abzugeben.
Die meisten Lehrer vergeben bereits Jubelpunkte für das ordentliche Führen eines Ordners. Sie haben es oft mit faulen 52-Prozent-Schülern zu tun, die nichts weiter wollen, als endlich die Schule hinter sich zu bringen. Da fällt jeder "Streber" positiv auf, und wird mächtig angespornt.
Es gibt Teilpunkte für Teilnahme, Ordentlichkeit, Genauigkeit, das Abgeben der Aufgabe, die Erfüllung der Aufgabe, Fleiß und vieles mehr.
Hausaufgaben in Deutschland sind, wie der Name schon sagt, etwas, das man zuhause macht, um den Stoff zu vertiefen, wie es so schön heißt. In Kanada sind es keine echten Hausaufgaben, sondern "assignments", Studienarbeiten, die wie Tests gewertet werden.
Sie vertiefen nicht nur den Stoff, sondern bilden, zusammen mit schulischen Tests, die Gesamtleistung, die zur Endnote führt. Von daher sind sie ungeheuer wichtig, und nicht mit deutschen Hausaufgaben zu vergleichen.
Sie erleichtern dem Kind das Lernen von analytischem Denken, aber sie beschäftigen es auch mehr. Die meisten Kinder haben nicht viel Freizeit. Die Schule endet offiziell um fünfzehn Uhr, und dann geht es an die Hausaufgaben. So manch ein Kind sitzt noch Nachts um Zehn an einem Essay, das als Abschluss eines Themas erwartet wird.
Als Ausgleich dafür sind für ein Semester nur vier Fächer veranschlagt. Mehr würde die Schüler überfordern, denn die Hausaufgaben sind zu umfangreich. 10 Fragen zu einem Thema ausführlich beantworten, seitenlange Essays oder selbst erdachte Kurzgeschichten schreiben ist die Norm.
In Deutschland hatte meine Tochter vierzehn Fächer in einem Schuljahr, jedes einzelne täglich mit einer kurzen Hausaufgabe belegt. Kanadische Lehreraugen weiten sich entrüstet. Sie fragen sich, wie ein Kinderhirn das alles verarbeiten soll? Es müsse eine Flut an Informationen bewältigen. Wir konnten dem nur zustimmen, einfach ist es nicht.
Dabei lernen Kanadier nicht weniger als wir. Im Laufe der Highschooljahre belegen sie die selben Fächer wie wir, mehr sogar, wobei sie sich gegen Ende auf Fächer konzentrieren, die ihnen am besten liegen. Hier liegt ein wichtiger Unterschied in den Systemen.
Es ist wie eine Speisekarte aus der man auswählen kann:
Ich nehme bitte dieses Jahr Fotografie, Psychologie, Geschichte und eine Fremdsprache, fettfrei und ohne Zucker.
Das Kind kann je nach Interesse Fächer auswählen, die ihm am meisten Spaß machen, oder die in eine Richtung tendieren, die es später einmal studieren möchte. Schule nach persönlichen Maß, sozusagen.
Was aber bringt es dem Kind, wenn es Fächer wählt, die ihm im weiteren Leben nicht viel nützen werden? Zum Beispiel: Sport, Religion, Ernährung, und Fotografie? Falls es nicht vorhat eines dieser Fächer zu studieren, erscheint dieser Lehrplan recht einfach.
Aber so leicht kann man sich nicht vor komplexen Fächern wie Mathematik, Physik und Chemie drücken. Man muss gewisse Stunden dieser Fächer vorher schon belegt haben, um sie später ignorieren zu können. Es gibt ein Soll für naturwissenschaftliche und akademische Fächer.
Nicht in jeder kanadischen Provinz werden die Dinge gleichermaßen gehandhabt. Und dennoch fragt man sich, ist dieses Schulsystem besser? Meine Tochter findet es macht viel mehr Spaß, und da sie oft Wochen Zeit hat, um ein Essay zu schreiben, oder sich ein Thema gründlich zu erarbeiten, bleibt das Gelernte länger im Gedächtnis, selbst wenn es einen größeren Zeitaufwand bedeutet, als zehn Minuten pro Fach an den Hausaufgaben zu sitzen, so wie sie es aus Deutschland kannte.
Man lernt nicht nur aus Schulbüchern, sondern auch von der Welt da draußen, dem Internet, Nachrichten, Büchern, und all diese Quellen werden fleißig genutzt. Moderne Technik wird breit eingesetzt. Die Schule verfügt über mehrere Säle voller Computer mit Internetanschluss, die zur Benutzung bereit stehen. Es gibt ein internes Netzwerk, und wenn man sich einklinkt, kann man von zuhause aus Dateien dort abspeichern, die man dann vor Ort in der Schule abrufen kann.
Die Lehrer verfügen über eigene Webseiten, wo stets die neueste Hausaufgabe abzurufen ist, für Schüler die krank sind, oder für solche die zu weit von der Schule entfernt auf dem Land wohnen und per Fernstudium am Unterricht teilnehmen. Eltern bekommen Schulinformationen und Elternabendprotokolle per email geschickt.
Hightech an den Schulen: Das beeindruckte mich. Abschließend möchte ich sagen, zurückblickend hätte ich liebend gern meine Schulzeit gegen eine in einer kanadischen Schule eingetauscht. Das Lerntempo ist langsamer, der zu erlernende Stoff interessanter, da man selbst die Auswahl der Fächer vornimmt. Ist das nicht der Traum deutscher Schüler?
Ich hörte man will jetzt in Deutschland ein neues Schulsystem einführen, in Anbetracht hässlicher Ergebnisse bei der PISA-Studie (Programm for International Student Assessment", eine internationale Schulleistungsstudie.) Während von 32 teilnehmenden Ländern Deutschland sich bei Lesekompetenz, Mathematische- und Naturwissenschaftliche Kompetenz zwischen Italien, Ungarn und Polen um die Plätze 21 und 22 stritt, rangierte Kanada auf den Plätzen 2 und 6. Die USA bewegte sich um Platz 15.
Irgend etwas müssen die Kanadier also richtig machen. Ich schlage dem deutschen Kultusminister vor, seine Kinder für ein Jahr auf eine kanadische Schule zu schicken und sich das System genauer anzusehen. Vielleicht ist es nicht perfekt, aber man könnte versuchen eine gute Kombination aus beiden Systemen zu kreieren. Doch höchstwahrscheinlich wird man am bestehenden deutschen System so lange herumdoktern, bis es gar nicht mehr funktioniert.
Manchmal ist ein Pferd eben einfach tot, wenn es zu Tode geritten ist.
Weiterblättern: Kanada: Abenteuer Auswandern, 5 Teil: Speisen in Kanada
2004-11-07 by Joy Fraser, Wirtschaftswetter
Text + Fotos: ©Joy Fraser
Foto Banner ©Cornelia Schaible
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