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Kanada: Abenteuer Auswandern V

Auf dem Weg nach Whitehorse - Speisen in Kanada

von Joy Fraser

Warnschild, Leaving the Servicing Area Nach all den trockenen Daten nun zu etwas angenehmerem, nämlich der Lieblingsbeschäftigung vieler Menschen: dem Essen. So wie in vielen zivilisierten Ländern, ist auch in Kanada die Fettleibigkeit auf dem Vormarsch. Nicht nur die großen Portionen sind daran schuld, denn schließlich isst man nicht jeden Tag in einem Restaurant. Der gesamte Tagesablauf wird anders gelebt als bei uns, was ich gleich verdeutlichen werde.

Der simple Vorgang des Essens mit Messer und Gabel erschien mir ausgereift, und ich hätte nicht gedacht, dass es Menschen gibt, die mit Besteck anders umgehen als wir. Und doch ist es so. Kanadier essen nordamerikanisch. Das bedeutet sie finden es befremdlich, wenn wir das Messer nicht aus der Hand legen.
Messer rechts, Gabel links, so wollte es der alte Knigge, aber davon wissen die Kanadier nichts. Zwar fangen sie genau so an, aber dann wird die Gabel nicht von links in den Mund geführt, sondern das Messer wird abgelegt, die Gabel wandert in die rechte Hand, und dann zum Mund, während der linke Arm sittsam auf dem Schoß ruht.
Kauen, schlucken, Gabel wieder in die linke Hand nehmen, Messer in die Rechte, etwas abschneiden, Messer weglegen, Gabel in die rechte Hand, und so weiter, bis das Essen kalt ist.
Sehr aufwendig, und nichts für mich. Man wird überall mit dem Finger auf mich deuten und "Europäer" flüstern, aber damit werde ich leben müssen. Diese Methode ist mir einfach zu umständlich.

Vom Besteck-Code hat man ebenfalls noch nie etwas gehört. Den Kellnern ist es egal ob man mit der Lage des Besteckes auf dem Teller verkünden möchte, dass man noch nicht fertig ist. An dieser Stelle sei gesagt, dass man nach der Vorspeise das Besteck nur dann auf den Teller legen sollte, wenn noch ein weiteres auf dem Tisch gedeckt ist. Es wird kein zweites mehr kommen, es sei denn man erklärt seinen Fehler dem Personal. Dann bekommt man selbstverständlich und höflich ein neues.

Normalerweise wird man gefragt ob der Teller abgeräumt werden kann, doch manchmal, in weniger gehobenen Restaurants, wird der Teller einfach weg genommen, während man noch am Essen ist, und sich nur mal kurz zurückgelehnt hat. Besonders das längere Festhalten am Vorspeisensalat kennt man nicht. Der Salat ist einfach verschwunden, wenn man nicht aufpasst, obwohl man ihn sich absichtlich bis zum Hauptgericht aufheben wollte. Wünscht man dies, so sollte man es der Bedienung ausdrücklich mitteilen.
Die Gewohnheit eine Mahlzeit mit einem begleitenden Salat zu genießen, habe ich mir inzwischen abgewöhnt. Überreichlich geschmortes Gemüse ist Standardbeilage zu fast allen Gerichten. Bei Pasta kann man einen Salat dazu bestellen, aber meist wird ein "side-salad" mit Brot schon vorher angeboten. Halten sie ihn fest, wenn sie ihn für die Pasta aufheben möchten!
Salate entbehren allerdings meist jeglicher Finesse. Nur in teuren Restaurants wird das Dressing vom Koch angemacht. In der bezahlbaren Mittelklassegastronomie stehen kleine Ständer mit verschiedenen Kraft-Fertigdressings auf dem Tisch, die man sich selbst über den Salat kippt.

Will man sich den Kühlschrank mit Leckereien für den eigenen täglichen Bedarf füllen, so findet man eine erschreckend große Auswahl an Produkten in den Supermärkten, wobei das Regal mit den Salatdressings mindestens zehn Meter lang ist. Ich würde Jahre brauchen um alles zu probieren, und die Flaschen sind sehr groß.

Käse kann man als lange Stangen kaufen, und nur der Importkäse präsentiert sich in europäischen Größen und leider auch mit europäischen Preisen. Die Creme Fraiche in der Kilodose überforderte mich. Was soll der Mensch mit einem Kilo Creme Fraiche, selbst wenn gebackene Kartoffeln, zu denen man diese Creme gern isst, oft auf der Speisekarte stehen? Ich entschied mich für eine kleinere Dose und bezahlte prompt im Verhältnis viel mehr. Zumindest musste ich ihr nicht beim Verschimmeln zusehen.

Was ich schmerzlich vermisse ist Aufschnitt. Was wurde aus Salami, Schinken, Bierschinken, Jagdwurst, Lyoner, Fleischwurst, Cervelatwurst, Mortadella, als die Siedler diese Kultur gründeten? Warum gibt es keine deutschen Metzger, wo doch der Anteil an Deutschen so hoch war, dass Deutsch um ein Haar die Landessprache von Nordamerika geworden wäre? Scheinbar lag es am Mangel von genügend Metzgern - das hätte überzeugt.
Was man hier bekommen kann, wieder im Kilopack, sodass man mehr als die Hälfte einfrieren muss, ist geschnittener gekochter Schinken ohne Eigengeschmack, Corned Beef, Roast Beef, Kassler, importierte Salami, Truthahn und Hähnchenbrust. Das wird auf die Dauer eintönig. Wenn man Glück hat führt der "Deli" Laden ein paar deutsche Waren wie Schwarzwälder Schinken, echte Wiener und Kalbsleberwurst. Aber meist ist alles in Kanada hergestellt und doch ein bisschen anders als zu Hause sowie entsprechend teurer.

In Kanada frühstückt man süß. Entweder sind es Cerialien mit Milch, oder getoastete Waffeln, Pfannkuchen, Toast mit Butter und Eiern, Erdnussbutter, gebratenen Frühstücksspeck. Kein Mensch isst einen Käsetoast zum Frühstück oder ein Schinkenbrot. Deftiges gibt es Mittags, zum Lunch, und zwischendurch. Meterlange Baguette bis zum Bersten gefüllt, stets mit den selben Zutaten. Gekochter Schinken, Käse, grüner Salat, Zwiebeln, Tomaten, Gurken, Senf, Majonaise. Was würde ich nicht alles geben für ein simples Bierschinkenbrötchen.

Die warme Mahlzeit wird am Abend gegessen, wenn die Kinder aus der Schule zuhause sind, und der Vater von der Arbeit. Das ist das Dinner. Hier ist die Hausfrau nicht morgens oder mittags mit Kochen beschäftigt, sondern am Abend. Oft wird gegrillt, dann ist Papa der Koch. Selbst bei Schneetreiben und Minusgraden lässt sich der Kanadier nicht vom geliebten Gasgrill trennen. Meist steht der Grill türnah unter einer Bedachung, damit er das ganze Jahr über genutzt werden kann. Ab minus 50 Grad ist dann auch dieser Spaß vorbei, denn das Flaschengas zündet nicht mehr bei dieser Kälte.

Lebensmittel sind nicht die gleichen überall auf der Welt. Auf der Suche nach einer guten Salatkartoffel erlebte ich einige Überraschungen. Die gemeine Kartoffel ist außen lila und innen weiß. Sie eignet sich für Salat, aber nur die kleinen Knollen. Die braune Yukon Kartoffel, die sich beeilt trotz kurzer Saison schnell ein paar Früchte zu produzieren, ist innen schon gelber, aber die Farbe reicht lange nicht die Deutsche heran. Der buttrige Geschmack der kleinen Knollen ähnelt den unseren, sodass ich sie zu meiner Standardkartoffel auserkoren habe. Alles in allem aber ist der Kartoffelgeschmack nüchterner als in Deutschland. Karotten hingegen schmecken süß wie aus Omas Garten.
Saure Gurken sind unauffindbar. Salzgurken sind Standard. Es gibt eine eingelegte Gurkenart, die dem Namen nach ursprünglich von Deutschen stammen könnte. "Gherkins", gesprochen: "Görkens", klingt fast nach Gurken. Sie sind nicht in einer Salzlake eingelegt, sondern in Essigwasser wie es sich gehört, aber leider ist jede Menge Zucker involviert. Süßsaure Gurken, würden wir sagen.

Der Kanadier an sich liebt gut gewürzte Speisen. Mexikanisches ist beliebt, und oft sind Speisen scharf, ohne als solche deklariert zu sein. Erstaunlich ist daher die absolute Geschmacksneutralität des gekochten Schinkens, der meisten der Käsesorten, der Kartoffeln, des Weißbrotes, und des Frühstücksspecks.
Vieles was bei uns mit Salz angereichert wird beinhaltet hier Zucker. Bagels, das sind die runden flachen Brötchen mit dem Loch (nicht zu verwechseln mit Donuts, welche Berliner Pfandkuchen sind), meist getoastet und mit Frischkäse bestrichen, schmecken wie süße Hefebrötchen. Würde man den Zucker durch Salz ersetzen, hätte man ein deutsches Brötchen. Bis auf das Loch in der Mitte.

Generell könnte man sich in Nordamerika ernähren, ohne je etwas zu kochen, und ohne je in Eintönigkeit zu geraten. Die Tiefkühlregale sind voller Fertigessen, Fischkreationen a la Chefkoch, Dinge die man in den Toaster steckt, Pizzas, Nudelgerichte bis zum Abwinken, Chinesisches, Mexikanisches. Nur kein Rotkohl. Den muss man noch ganz traditionell selber schnippeln und kochen. Das trifft unsere deutschen Herzen hart. Klöße gibt es auch keine, passend zum nicht vorhandenen vorgekochten Rotkohl. Allerdings kann man die Kanadier austricksen, indem man ihr Päckchen Turkey-stuffing (Truthahn-Füllung) nimmt und Klöße daraus formt. Es handelt sich um nichts anders als um gewürzte Brotkrumen, aus denen man leckere Semmelknödel machen kann.

Die Firmen Kühne und Knorr helfen aus, wenn auch als teure Importe, wobei viele ihrer Produkte auf den nordamerikanischen Geschmack ausgerichtet worden sind, so dass sie auch nicht wie zu Hause schmecken. Hat man je ein Haribo-Gummibärchen in Kanada gegessen, und es irgendwann doch noch aus den Zahnzwischenräumen entfernen können, weiß man ganz genau: Auswandern hat eben seinen Preis.Aufgrund welcher Tests und Umfragen deutsche Firmen ihre Produkte für das Ausland verändern, ist mir ein Rätsel. Ich sprach mit vielen Nordamerikanern, die mir alle bestätigten sie mögen die deutschen Gummibärchen viel lieber. Wozu also die genetische Veränderung? Gen-Experimente an Gummibärchen sollten generell verboten werden.
Vielleicht sollte ich die Firma Haribo fragen? Auf die Liste der zu befragenden Firmen gehört auch die Firma Knorr, deren Gemüsebrühe in Kanada absolut kein Geschmack nachzuweisen ist, während amerikanische Gäste bei uns zuhause die feine Würze unseres Gemüses bis zur Ekstase bewunderten. Ein Lob möchte ich an dieser Stelle der Firma aussprechen, deren Kinderschokolade überall gleich schmeckt. Bravo! Weiter so.

Da ich schon einmal bei Unterschieden bin, die ich als negativ erklären muss, sollte ich Bade- und Duschprodukte erwähnen. Kanadische Produkte sind nicht PH-neutral und beeindrucken durch einen tränenerzeugenden parfümierten Duft, der es dennoch nicht schafft den stechenden chemischen Beigeruch zu verschleiern. Auch hier ist der Auswanderer auf importierte Produkte angewiesen, wie Nivea, Duschdas und Fa, die zwar auch ziemlich tief in die Parfümkiste gegriffen haben, aber wenigstens wird man von wirklich penetranter Chemie verschont.
Sucht man etwas bestimmtes, wie zum Beispiel genanntes PH-neutrales Duschgel, und wendet sich vertrauensvoll an das allzeit hilfsbereite freundliche Personal in den Läden oder Supermärkten, so steht man oft blanker Ahnungslosigkeit gegenüber. "I don't know", begleitet von einem hilflosen Achselzucken, ist ein Satz, den man ständig zu hören bekommt.

Bild jagender Fuchs Kanada sucht Spezialisten, und hat das Immigrationsverfahren leichter gemacht. Nach nur wenigen Wochen im Land verstanden wir auch weshalb.
Fast niemand hat Ahnung von dem Job, zu dem er täglich geht. Branchenfremde Hilfskräfte werden liebend gern eingestellt, denn sie sind billige Arbeitskräfte. Das Gute daran ist, dass sowohl sehr junge Leute, als auch Ältere eine Stellung finden können. Allerdings hat dieses System so seine Nachteile. Kundenbindung ist ein Fremdwort, und man glaubt, dass regelmäßige Sonderangebote Kunden in den Laden locken. Solange der Kunde keine Fragen hat, mag dem so sein, und wo sollte man auch sonst einkaufen gehen - in der Isolation des Yukons?
Möbelverkäufer wissen nicht aus welchem Holz ihre Möbel sind, Einräumer von Supermarktregalen wissen nicht, wo die Süßkartoffeln diese Woche stehen, und generell weiß niemand, wann eine ausverkaufte Ware wieder reinkommt. Aber das kann an der Sonderstellung des Yukon liegen. Alles muss herangeschafft werden, was schwer voraussagbar ist.

Ich möchte auf keine Zehen treten, aber nach unserer Erfahrung wissen nur Selbständige, und Menschen mit einem Abteilungsleiterschildchen am Kittel was sie eigentlich den ganzen Tag tun. Es muss hart für sie sein, mit untrainiertem Personal zu arbeiten. Ich konnte so manche Konversation unfreiwillig mit anhören, wenn Mitarbeiter von einem zornesroten Chef zusammengestaucht wurden.
Das Verlangen, sich in seinem Job ganz besonders gut auszukennen, ist gering. Ganz nach dem Motto: "Es ist doch nur ein Job, den ich machen muss um Geld zu verdienen. Geht er in die Hose, suche ich mir eben einen anderen."
Mitarbeiter, die sich bemühen werden hoch gehandelt. Sie bekommen mehr Geld, und werden oft schnell von anderen Arbeitgebern abgeworben, was die Bereitschaft in eine gute Ausbildung zu investieren verringert. Gute Mitarbeiter gehen zur Konkurrenz, also ärgert man sich lieber regelmäßig über die Fehler der Schlechten.
Dieser Umstand erklärt auch, warum man nur nach Kanada einwandern kann, wenn man eine gute Ausbildung und jede Menge Talente nachweisen kann. Unqualifizierte gibt es bereits genug, da möchte man nicht noch weitere importieren.

Weiterblättern: Kanada - Abenteuer Auswandern, sechster und letzter Teil: Kälte!

2004-11-07 by Joy Fraser, Wirtschaftswetter
Text + Fotos: © Joy Fraser
Foto Banner © Cornelia Schaible

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