Wirtschaftswetter-Logo       Bild Wirtschaftswetter-Themen Schwerpunkt Jugend - Youth, Link Wirtschaftswetter-Werbung


Der große Unterschied

Und seine unterschiedlichen Folgen

von Angelika Petrich-Hornetz

Ich freue mich, dass meine Tochter gut untergebracht ist, soll der Vater der jungen Braut in einem Interview gesagt haben. Er muss es wissen, denn mit Franz Müntefering (SPD) hat er einen dreizehn Jahre älteren Schwiegersohn. Dessen Abstand zur im vergangenen Dezember geehelichten Gattin beträgt ganze 40 Jahre. Dabei ist das in Politikerkreisen nicht einmal ungewöhnlich. Schließlich hatte auch Alt-Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) ein Jahr zuvor mit der Heirat seiner 34 Jahre jüngeren Freundin bereits vorgelegt. Im Spurt um die Ehe mit dem größten Altersunterschied kam der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Peter-Harry Carstensen (CDU) mit der Heirat seiner 24 Jahre jüngeren Braut Ende Dezember letzten Jahres deshalb nur noch auf den dritten Platz.

Die umgekehrte Konstellation ist in der deutschen Politik noch nicht so üblich, jedoch in der Glamourwelt Hollywoods schon lange angekommen: Zsa Zsa Gabor und Frédéric von Anhalt dürften etwa 25 bis 30 Jahre auseinanderliegen. Der neue Freund von Madonna soll immerhin 29 Jahre jünger sein. Die ein paar Jahre alte Ehe zwischen Demi Moore und dem 16 Jahre jüngeren Asthon Kutcher blieb allen Unkenrufen zum Trotz bislang noch ohne Skandale. Und das berühmteste Paar mit großem Altersunterschied, in diesem Fall sogar rekordverdächtigen 43 Jahren in Deutschland dürften wohl Johannes Heesters und Simone Rethel-Heesters sein. Das heißt, es kann klappen. Der gezählt Altersunterschied zwischen erwachsenen Menschen nimmt mit dem Älterwerden von beiden Partnern gleichermaßen ab, jedenfalls der gefühlte. Ob jemand nun 40 oder 65 Jahre zählt, erscheint irgendwann fast schon belanglos, was sich bereits bei, sogar partnerlosen, Über-30-Jährigen oft darin bemerkbar macht, dass sie jedes Jahr aufs Neue überlegen müssen, welchen Geburtstag sie dieses Mal nun eigentlich feiern.

Doch so ganz unerheblich ist es dann auch wieder nicht. Spätfolgen stellen sich bekanntermaßen später ein - nicht schon nach fünf und auch nicht nach zehn oder fünfzehn Jahren. Die Deutschen werden allesamt immer älter, fühlen sich dabei gleichzeitig immer jünger und sind es auch messbar, vor allem, weil sie auch viel länger gesünder bleiben. In Staaten mit einem funktionierendem Gesundheitsystem und in einkommensstarken Kreisen kann man sich außerdem neben der dazu notwendigen sportlichen und medizinischen Versorgung nicht nur in Hollywood auch die kleinen Hilfen für den Ausgleich gegen Stressfalten leisten.

Zwei-Generation-Altern

Schwierig wird ein großer Altersunterschied erst dann - und das unabhängig vom biologischen Alter - wenn einer der Partner im Unterschied zum anderen einseitig altert, langfristig körperliche oder geistige Einschränkungen hinnehmen muss oder krank wird - und der andere damit überfordert ist. Häufig geht es aber auch das gut, wenn die Rahmenbedingungen stimmen, sich der jüngere Partner den Veränderungen anpasst und sich, wie auch gleichaltrige Partner dies schaffen, zum hingebungsvollen Pflegeangehörigen entwickelt. Manchmal findet diese Anpassung jedoch nicht statt, und der an sich nicht-eingeschränkte Partner fühlt sich dann stark eingeschränkt - in seinen Möglichkeiten, die nicht mehr gelebt werden können. Dann stellt zum Beispiel eine noch gesunde Fünfzigjährige fest, dass ihrem 70 oder 80 Jahre altem Partner nicht mehr der Sinn nach gesellschaftlichem Rummel steht, den sie selbst noch genießen kann und möchte. Oder eine 75-Jährige muss erkennen, dass der sie einst so bewundernde 30-Jährige mit inzwischen 50 Jahren, selbst am Anfang des eigenen Alterns stehend, auf einmal auf ganz andere Prioritäten setzt, was ihre bisher gut funktionierenden Beziehung belastet. Ob er oder sie, sehr viel jüngere Partner müssen sich, wollen sie keine vorübergehende Kurzgeschichte sein, möglicherweise damit abfinden, eines Tages vielleicht früher als gleichaltrige Paare mit zunehmender Immobilität oder anderen Einschränkungen konfrontiert zu werden, lange bevor sie selbst so weit sind. Wer auch das meistert, darf sich glücklich nennen.

Die deutschen Renten- und Pensionskassen scheinen alle Ehen, ob mit oder ohne großen Altersunterschied indes mit stoischer Gelassenheit zu ertragen. Hier ist es im 21. Jahrhundert noch vollkommen in Ordnung, sich zu freuen, dass die Tochter per Heirat langfristig gut versorgt ist. Mit etwas Glück, dafür müssen sie oder er durchaus schon ein wenig verheiratet bleiben, wird ein Ehe- oder eingetragener Partner tatsächlich lebenslänglich versorgt sein. So funktioniert das System unser solidarischen Altersicherung. Der ehemalige Bundesarbeitsminister, der für die deutschen Arbeitnehmer die Rente mit 67 einführte, sorgt damit wenigstens für eine einzelne Vertreterin der nächsten Generation, die ansonsten 45 Jahre schuften muss - und sich erst kurz vor ihrem 70. Geburtstag in den finanziell immer schlechter bestellten Ruhestand schleppen darf. Von so einem Auskommen im Alter können auch im freien und reichen Deutschland die meisten nur träumen, ein ernstes Thema, mit dem sich das Wirtschaftswetter zum Beispiel auch hier befasst hat: Rente 67-45 - wie ein Volk Hinterbliebender entsteht.

Sugar-Daddies international

Sehr viel nervöser betrachten momentan die Brasilianer ihre Sugar-Daddys - Sugar-Moms sind dort noch nicht so weit verbreitet, das wird aber noch -, die Dank medizinischen Fortschritts immer häufiger noch einmal sehr junge Frauen ehelichen. Einen besonderen Beitrag zur damit langfristigen Belastung der Rentenkassen, die bislang unglücklicherweise nur auf etwa 15 Jahre überlebende Partner eingerichtet waren, sollen dort Potenzmittel leisten. Doch die Zahl der jungen Witwen steigt kontiuierlich schon seit den 1970er Jahren an. So viel weiß man inzwischen aus der Gegenwart: 69 Prozent der 60- bis 64-jährigen Brasilianer suchen sich nach einer Scheidung eine deutliche jüngere Brasilianerin als Gattin - meist oder sogar unter 30 Jahre alt, die an das Ableben des Gatten anschließend gute Chancen hat, noch 30 bis 40 Jahre Witwenrente zu kassieren - in der Höhe des letzten Gehalts ihres verstorbenen Mannes. Was den einen noch etwas Freude beschert, macht den Sozialversicherungen inzwischen Sorgen. Dem brasilianischen Rentensystem soll nun sogar die Pleite drohen, hieß es voriges Jahr in einer Studie der brasilianischen Sozialversicherungsanstalt INSS. Der Autor der Studie, Paulo Tafner, sieht in der Entwicklung sogar eine Herausforderung für die Zukunft des Landes und fordert eine Reform des Rentensystems.

Selbst von solchen Problemen können andere Länder nur träumen, insbesondere die dort lebenden Frauen: Deren Probleme mit einem großen Altersunterschied zum Ehepartner sind ganz andere - und ihnen einseitig und ungefragt zugeschanzt worden. Zählt der deutlich ältere Gatte, und das bedeutet 20 bis 40 Jahre älter, nicht zur dünnen Oberschicht, liegen die Lasten auf den schmalen Schultern von sehr jungen Frauen, die zum Beispiel in Afghanistan, in Saudi Arabien, in Indien, in afrikanischen Staaten und vielen weiteren Ländern sehr selten einen Vorteil daraus ziehen können, wie die Brasilianerinnen oder die Deutschen. Anfang letzten Jahres schaffte es eine 8-Jährige in Saudi Arabien, sich von ihrem 58-jährigen Ehemann scheiden zu lassen. Der für Außenstehende sagenhafte Altersunterschied von 50 Jahren und die Folgen blieben dem Mädchen damit offenbar erspart, wenn man den Berichten traut. Doch, wer dachte, dass 50 Jahre ein großer Altersunterschied sei, wurde im August 2009 durch eine weitere Schlagzeile der Arab News überrascht, die über ein zehnjähriges Mädchen in Saudi Arabien schrieb, das vor ihrem 80-jährigen Ehemann geflohen - und anschließend von ihrem Vater zum Ehemann zurückgebracht worden war.

Selbst wenn es sich hier nur um Sensationsberichte handelt, Kinderehen - oder auch Zwangsehen genannt - sind in vielen Ländern an der Tagesordnung. An ältere Männer verheiratete Mädchen müssen nicht selten die Schule gegen schwere Haus- und Landarbeit eintauschen. Statt einer Versorgung der jungen Braut, wie viele Eltern, die ihre Kinder meistens aus finanzieller Not so früh verheiraten, offenbar immer noch hoffen, kommt für diese Mädchen indes bald die alleinige Versorgung und Verantwotrung von meistens mehreren, eigenen Kinder hinzu. Und selbst, wenn der Ehemann die Pubertät seiner Mädchen-Braut abwarteten sollte, sind die eigenen Kinder eines solchen ungleichen Paares oft noch hilflos, wenn das nächste Problem auftritt: Der alte Ehemann wird arbeitsunfähig oder sogar krank und pflegebedürftig - ohne eine Kranken- oder Pflegeversicherung, eine Rente oder eine irgendeine andere Absicherung, die so viele Probleme auf einmal etwas abfedern könnten. Neben ihren minderjährigen Kindern müssen die jungen Frauen dann auch noch den alten Ehemann durchbringen.

Teufelskreislauf für junge Frauen

Um ihre Familie jedoch allein ernähren zu können, müssen diese jungen Frauen hart arbeiten - in Ländern, in denen Frauen keinen Wert haben - , und die ihnen für diese wirtschaftlich tragende Rolle weder die dazu notwendige Ausbildung noch eine halbwegs freie Berufswahl ermöglichen. Die Wahl des Berufes und des Arbeitsplatzes ist nicht selten sogar per Gesetz oder aus Tradition verboten - ein Teufelskreislauf. Junge Frauen ohne Ausbildung haben in Ländern mit hoher Arbeitslosigkeit, mit regiden Gesetzen, Regeln und Traditionen plus mit mehreren, minderjährigen Kindern und einem alternden Ehemann im Nacken keine Chance auf eine Zukunft - weder für sich noch für ihre Kinder - und immer mehr von ihnen zerbrechen regelrecht daran. Gewalt und Selbstötungen aus purer Verzweifelung sind in Folge dessen an der Tagesordnung, berichten die Hilfsorganisationen unisono. Wie viele es sind, weiß niemand. Es gibt kaum Zahlen und in vielen Regionen wohl auch wenig Interesse vor Ort daran, das Leben von Mädchen und Frauen zu verbessern bzw. ihre schlechte Lage zu dokumentieren. Und selbst wenn Gesetze für ein Mindestheiratsalter vorhanden sind, wie in Afghanistan, wird dieses häufig aus schlichter, wirtschaftlicher Not nicht eingehalten. Doch die Hoffnungen der Eltern, ihre Töchter seien damit versorgt, sind längst nur noch Illusionen.


2010-01-01 Angelika Petrich-Hornetz, Wirtschaftswetter
Text: ©Angelika Petrich-Hornetz
Illustrationen: ©ap
Fotos Themenbanner: ©Cornelia Schaible, aph, Ines Kistenbrügger
Infos zu Datenschutz + Cookies

zurück zu: Themen

zurück zu: Startseite

wirtschaftswetter.de
© 2003-2024 Wirtschaftswetter® Online-Zeitschrift