von Birgid Hanke
Wer heutzutage das winzige Ekhof-Theater in den Mauern von Schloss Friedenstein besucht, wird überrascht sein zu erfahren, sich in den Räumlichkeiten eines ehemaligen Ballhauses zu befinden. Falsch wiederum ist, dabei sofort an rauschende Ballnächte oder zierlich getanzte Menuette zu denken.
Ballhaus bezieht sich nämlich auf die ursprüngliche Nutzung dieses Raumes, in dem die Kinder des Herzogs Ernst des Frommen Sport trieben, darunter dem Zeitvertreib damals üblicher Ballspiele frönten.
Der Raum ist nur vierundzwanzig Meter lang, elf Meter breit und acht Meter hoch. Genau in der Mitte wird er von dem Bühnenportal oder dem Prozeniumsbogen geteilt. Das bedeutet: Der Zuschauerraum ist genauso groß wie die Bühne. Wo gibt es das sonst noch einmal, dass sich die Besucher eines Theaters und dessen Protagonisten einander im Verhältnis eins zu eins gegenüber gestellt sehen?
Einmalig ist gleichfalls die Ausstattung des Theaters. Ein gewisser Giaccomo Torelli erfand in der Mitte es Jahrhunderts in Italien eine Kulissenverwandlungsmaschine, die im wesentlichen bis heute nicht nur erhalten, sondern in ihren Funktionen noch voll genutzt wird.
Um die Zuschauer in den Genuss einer frühbarocken Opernaufführung, deren Wesen sich weniger durch Qualität der Stücke denn durch die häufige Verwandlung des Bühnenbildes auszeichnete, kommen zu lassen, bedurfte es einer ausgefeilten Technik, die nach über dreihundert Jahren noch in ihrem Ursprung zum Einsatz kommt. So gibt es im Gothaer Ekhof-Theater auf beiden Seiten der Hauptbühne je drei Kulissenflügel in sechs Gassen. Wenn die, dem Gesetz der Perspektive gehorchend, unterschiedlich großen Flügel sich während einer Aufführung vor den Augen der gebannten Zuschauer im Wechsel der Handlung hin und her schieben, wissen diese nicht, was in diesen Momenten tatsächlich unter der Bühne stattfindet.
Die Raumhöhe der nach hinten leicht ansteigenden Unterbühne, zu der man über die Holztreppe eines engen Schachts gelangt, beträgt nur 1,60 Meter. So kann man sich ausschließlich in gebückter Haltung diesem Wunder der barocken Bühnentechnik nähern.
Wellbäume heißen die drei großen, sich unter der Bühne entlang ziehende Achsen, deren 32 schmale Kulissenwagen den raschen Bühnenzauber bei offenem Vorhang erst möglich machen. Die Umlenkrolle, das Pendant zum Wellbaum verbindet per Seilzug zwei Kulissenwagen miteinander.
Auch auf dem Schnürboden gibt es Wellen, denn auf dem Oberbühnenumgang befinden sich die Vorrichtungen für die schnelle Verwandlung des im Bühnenhintergrund befindlichen Rückprospektes.
Mochte die Inszenierung einer barocken Oper noch so perfekt sein, war der zügige Bühnenbildwechsel doch stets mit Geräusch verbunden.
Es mag desillusionierend sein, aber bei diesen Aufführungen hatte die Musik mehr die Funktion den Lärm des Kulissenwechsel zu übertönen oder von der Dürftigkeit der Handlung und den platten Dialogen abzulenken. So ist auch überliefert, dass sich die Schauspieler und Sänger häufig über störendes Gepoltere der zu ihren Füßen und Häuptern befindlichen Maschinerien beklagten.
Um der Kunst und der Authentizität wegen nehmen heutige Zuschauer genau das sogar mit Entzücken in Kauf. Wenn der Wind über die Bühne pfeift, dann hört sich das an wie ein richtiger Wind. Kein Gedanke daran, dass sich dahinter eigentlich das Rotationsgeräusch einer mit Leinen bezogenen Walze verbirgt. Gar wechselvoll ist die Geschichte dieses kleinen Theaters, das in seinen besten Jahren von der großen Persönlichkeit eines Conrad Ekhof geprägt wurde. Schon zu Lebzeiten Vater der deutschen Schauspielkunst genannt, verstarb er 1778 im Alter von 58 Jahren.
Zeitweilig war das Theater geschlossen, zeitweilig diente es reinen Repräsentationszwecken des herzoglichen Hofes oder wurde nur als Museum genutzt. Vorbildlich war die bereits 1966 bis 1968 nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten erfolgte Restaurierung, in deren Folge das Ekhof-Theater seiner ursprünglichen Bestimmung als Spielstätte zurück geführt wurde.
Das im Jahre 1996 neu begründete Konzept des Ekhof-Festivals, das sich bewusst und ausschließlich der Pflege der darstellenden Kunst des 18. Jahrhunderts widmet, erfreut sich zunehmender Beliebtheit und eines steigenden Bekanntheitsgrades.
Ab Ende Juni bis Ende August finden hier jährlich Veranstaltungen statt, bei denen die über dreihundert Jahre alte Bühnentechnik zum vollen Einsatz kommen. Wenn die schweren Holzkugeln verschiedener Größe vom Schnürboden durch den Donnerschacht hinunter zur Unterbühne krachen, zucken die Besucher wie bei einem richtigen Donnerschlag zusammen.
Zur Zeit träumen die Ausrichter des Ekhof-Festivals von einer "echten Regenmaschine“, ein durchaus erfüllbarer Traum.
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Weiterführende Links:
Ekhof-Festival
2010-07-01 Birgid Hanke, Wirtschaftswetter
Text: ©Birgid Hanke
Fotos Die Gärtnerin: ©Lutz Ebhardt
Fotos Garten der Lüste: ©Olaf Ittershagen
Fotos Themenbanner: ©ap
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