von Angelika Petrich-Hornetz
Die meisten Gebührenzahler wissen von alldem nichts, eine übersichtliche und für den Verbraucher verständliche Info-Seite über sämtliche Beteiligungen und Tochterfirmen von ARD und ZDF gibt es nicht, und viele Zuschauer und Bürger-Gebührenzahler gehen immer noch davon aus, dass öffentlich-rechtlich gesendete Formate größtenteils eigene Werke fest angestellter Mitarbeiter der Sender seien. Aber die Zuschauer beginnen zunehmend die Wirkung dieses wachsenden Firmengeflechts aus Tochterfirmen und Beteiligungen zu spüren. Die immer kleiner werdenden Unterschiede bei der Programmgestaltung gebührenfinanzierter auf der einen und privater TV-Sendern auf der anderen Seite werden offensichtlicher. Auch das ist kein Zufall, weil die privatwirtschaftlich organisierten Tochter- und Lieferanten-Medienfirmen auch für private Sender produzieren und auch produzieren sollen. Der Eindruck eines Programm-Einheitsbreis hat damit einen strukturbedingten Hintergrund.
1993 wurde, nach eigenen Angaben, zum Beispiel die, bereits im ersten Teil erwähnte, ZDF Enterprises GmbH mit Sitz in Mainz als hundertprozentige, privatwirtschaftliche Tochtergesellschaft des ZDF gegründet. Sie soll im Auftrag des ZDF den weltweiten Programmvertrieb, die Umsetzung internationaler Koproduktionen, den Lizenzankauf von Programmen, die Vermarktung von Online-Rechten sowie das Merchandising von ZDF-Programmmarken voranbringen.
Außerdem ist die als GmbH firmierende ZDF Enterprises, ebenfalls laut eigenen Angaben, aber auch "eigenständiger Marktteilnehmer", Zitat: "im nationalen und internationalen Umfeld", Zitatende - mit einem "großen deutschsprachigen Programmstock" in Form von Serien, Mini-Serien, Fernsehfilmen, Dokumentationen und Kinder-Programmen weltweit unterwegs. Drittens sei sie auch eine "Full-Service-Agentur" - auf "jeder Stufe der Entstehungs- und Verwertungskette", sagt die GmbH über sich selbst, nachzulesen auf der ZDF-Enterprises-GmbH-Webseite.
Die ZDF Enterprises GmbH ist darüber hinaus, wie schon erwähnt, an weiteren privaten Medienunternehmen beteiligt, u.a. seit 2007 mit einer Beteiligung von 50 Prozent an der Bavaria Filmgesellschaft GmbH, die Telenovas wie "Marienhof" und "Inga Lindström" für ARD und ZDF, aber auch für private Fernsehsender wie RTL produziert.
Ebenfalls seit Ende 2007 ist an der doc.station Medienproduktion GmbH die ZDF-Enterprises mit 100 Prozent beteiligt, die u.a. die Talkshow "Maybritt Illner" oder die Reihe "37°" (Sendezeit: dienstags, nachtschlafene 22:15 Uhr) produziert. Und so geht es munter weiter: Die Enteprises Sonor Musik GmbH ist ein Joint Venture mit der Bavaria Sonor GmbH - die Fernsehmusik von ZDF eigenen oder Auftragsproduktionen herstellt, vervielfältigt und verwertet. Die Kinderfim GmbH, an der die ZDF Enterprises ebenfalls beteiligt ist, produziert für den von ARD und ZDF gemeinsam betriebenen Kinderkanal KiKA. Und zusammen mit der Mainstream Networks Holding GmbH & Co. KG wirft die ZDF Entprises dann das Genre "Romance TV" (in die jeweilige Landessprache überersetzt) auf internationale Märkte - im Bezahl-Abo-Fernsehen wohgemerkt, Markteintritt war nach eigenen Angaben 2010 in Polen.
Da wundert es den bis hierhin erstaunt lesenden Gebührenzahler sicher kaum noch, dass er oder sie zur besten Sendezeit (Englisch: "Prime Time") ausgerechnet im öffentlich-rechtlichen Hauptprogramm ständig irgendwelchen konstruierten Romanzen und albernen Liebeskomödien - inklusive den von den Medienfrauen zu Recht kritisierten Rollenklischees - ausgesetzt ist: Sicher will man die teuer eingekauften Produktionen auch noch an den heimischen Zuschauer bringen.
Die ARD steht dem Beteilungs- und Töchter-Gründungs-Bestreben der Kollegen vom ZDF in nichts nach, auch wenn es an dieser Stelle zu weit führte, sämtliche privatwirtschaftlichen Engagements von ARD und ZDF aufzuführen - ganz zu schweigen von den (vielen) Töchtern und Kooperationen mit privaten Firmen der eigenen, hundertprozentigen privaten Töchter -, die, alle zusammen, inzwischen zu höchst unübersichtlichen Medienkonzernen angeschwollen sind.
Zum Beispiel die Studio Hamburg GmbH - mit den Tochterfirmen Cinecentrum GmbH, Polyphon GmbH und MCS GmbH Thüringen - die ihrerseits eigene Töchter und weitere Beteiligungen halten. Mit diesen zusammen hat die Hamburg Gruppe derzeit etwa rund 30 Tochterfirmen.
Die Mutter von der Tochter Studio Hamburg GmbH, die NDR Media GmbH hat übrigens einen Aufsichtsrat - mit 10 Mitgliedern, davon 3 Frauen. Der Vorsitzende des Aufsichtsrats dieser NDR-Tochter-GmbH ist gegenwärtig Lutz Marmor, ein gelernter Betriebswirt und aktueller Intendant des Norddeutschen Rundfunks (NDR) - sowie ab 2013 auch in der Funktion des Vorsitzenden der ARD, wenn der NDR die ARD- Geschäftsführung übernimmt, die bis Ende 2012 noch der WDR inne hat.
Die NDR Media GmbH ist nach eigenen Angaben eine "Finanz- und Strategieholding" der Studio Hamburg Gruppe und neben dieser Tätigkeit als alleinige Gesellschafterin auch noch Gesellschafterin bei der Degeto Film GmbH, sowie bei der Werbezeiten-Vermarkterin ARD-Werbung Sales und Services GmbH (beteiligt sind dort alle Werbegesellschaften der 9 ARD-Rundfunkanstalten, Umsatz 2011: 818 Millionen Euro), außerdem bei der ndrb sales & services GmbH - Vermarkter für Werbeplätze öffentlich-rechtliche Sender im norddeutschen Raum.
Der neueste Coup der mit den Möglichkeiten der privaten Wirtschaft liebäugelnden Mainzelmänner sowie der GmbH-Töchter der ARD ist die "Germany's Gold Plattformgesellschaft mbH", mit Sitz in Berlin. Im April 2012 gegründet, soll diese neue GmbH für Video on Demand voraussichtlich Ende 2012 starten, um das Weihnachtsgeschäft noch mitzunehmen, mutmaßte jedenfalls die Presse.
Auf dieser kommerziellen auf den zahlenden Verbraucher zielenden Streaming-Plattform dürften einige Gebote und Verbote, die für öffentlich-rechtliche Sender sonst gelten, passé sein, z.B. Videoaufzeichnungen endlos lange zu speichern und im Internet abrufbereit zu halten.
Neben der ZDF Enterprises GmbH sind noch viele weitere Privat-Firmen als solche dort beteiligt, aber auch private Töchter oder Beteiligungen der Öffentlich-Rechtlichen, u.a. der ARD, so die WDR Mediagroup GmbH (hunderprozentige WDR-Tochter), die nach eigenen Angaben das Vorabend-Programm der ARD "macht", die Neue Deutsche Filmgesellschaft mbH (NdF) - (u.a. "Das Erbe der Guldenburgs" und "Redaktion Eduard Zimmermann", Drehbücher für "Aktenzeichen XY"), die Studio Hamburg GmbH (siehe oben), die hundertprozentige SWR-Tochter SWR Media Services GmbH, die Bavaria Fernsehproduktion GmbH.
Mit Rundfunkgebühren sollen die Inhalte - nach eigenen Angaben - nicht finanziert werden, jedoch mit Mitteln aus den Verwertungs- und Produktionsfirmen der Öffentlich-Rechtlichen, - sowie mit Werbung, Abonnements und Einzelabrufentgelten.
Welche Inhalte auf dieser Plattform, auf anderen Plattformen und im öffentlichen-rechtlichen Fernsehen tatsächlich noch öffentlich-rechtlich, welche gebührenfinanziert oder nur noch halbwegs öffentlich finanziert und welche ganz lupenrein privatwirtschaftlich finanziert worden sind, welche in Konkurrenz zur privaten Medienwirtschaft stehen und welche nicht, dürfte durch das immer undurchsichtiger werdende Firmengeflecht bei ARD und ZDF zumindest für den zahlenden Zuschauer nicht mehr durchschaut werden können, und bleibt damit eine eigentlich ehrenvolle Aufgabe von Aufsichtsgremien, die sich aber in Vertretung der Zuschauer in den Rundfunkräten erschöpfen. Diese sollen zwar die Interessen der Allgemeinheit und die Vielfalt der Bürger und Bürgerinnen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk vertreten, haben aber kaum einen Einfluss auf das konkrete Programm oder nehmen diesen nicht wahr.
Die Rundfunkräte - und beim ZDF der Fernsehrat - haben die ausdrückliche Aufgabe, den gesetzlichen Sendeauftrag zu überwachen. In den Räten findet sich jedoch kein TV-Publikum als solches, sondern sitzen Interessensvertreter, die, so heißt es offiziell, einen "Querschnitt der Bevölkerung" abgeben und damit "die Allgemeinheit auf dem Gebiete des Rundfunks" vertreten sollen. Tun sie das?
In der ARD sind diese Rundfunkräte Ländersache, Gesetze, Mitgliederzahlen und Aufgaben des Rundfunkrates varrieren je nach landeseigener Sendeanstalt. So sitzen im Rundfunkrat des Hessischen Rundfunks (HR) zum Beispiel 30 Mitglieder, die dafür Sorge tragen sollen, dass der gesetzliches Sendeauftrag laut Rundfunkstaatsvertrag eingehalten wird, ein festgeschriebener, gut klingender Auftrag, Zitat , Rundfunkstaatsvertrag, § 11 , 2. Abschnitt: Vorschriften für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, Absatz 1: 'Auftrag der öffentlichen-rechtlichen Rundfunkanstalten ist, durch die Herstellung und Verbreitung ihrer Angebote als Medium und Faktor des Prozesses freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung zu wirken und dadurch die demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft zu erfüllen. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben in ihren Angeboten einen umfassenden Überblick über das internationale, europäische, nationale und regionale Geschehen in allen wesentlichen Lebensbereichen zu geben. Sie sollen hierdurch die internationale Verständigung, die europäische Integration und den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Bund und Ländern fördern. Ihre Angebote haben der Bildung, Information, Beratung und Unterhaltung zu dienen. Sie haben Beiträge insbesondere zur Kultur anzubieten. Auch Unterhaltung soll einem öffentlich-rechtlichen Angebotsprofil entsprechen. Absatz 2: Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben bei der Erfüllung ihres Auftrags die Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Meinungsvielfalt sowie die Ausgewogenheit ihre Angebot zu berücksichtigen.'" Zitatende
Und damit zur Besetzung der Rundfunkräte und des Fernsehrats der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, die neben 60 Radiosendern auch TV im Programm haben, um das es hier geht.
Das folgende Beispiel des Hessischen Rundfunks, zeigt, dass durchaus Zweifel an der Erfüllbarkeit einer angemessenen Überwachung dieses Sendeauftrags gemäß §11 aufkommen lässt, wenn man erfährt, dass von den 30 Mitgliedern des hessischen Rundfunkrates ganze 5 weiblich sind (Frauenquote: knapp 17 Prozent), und zwar eine Vertreterin des Frauenrates und eine des Landesmusikrates, dann die Landeselternbeirätin, zwei Landespolitikerinnen - gegenüber 25 Männern, darunter Landespolitiker, Vertreter von Unternehmensverbänden, der evangelische Kirche (hat offensichtlich keine einzige des Rundfunkrates würdige Frau in ihren Reihen), der katholischen Kirche, der jüdischen Gemeinden, der Hochschulen des Landes, gleich mehrere Vertreter des Beamtenbundes und auch gleich mehrere männliche Gewerkschaftsvertreter - die erstaunlicherweise auch allesamt ohne einziges weibliches Mitglied in den eigenen Reihen existieren, das in den Rundfunkrat hätte entsendet werden können -, Vertreter der Volkshochschulen, des Landesportbundes (keine für den hessischen Rundfunkrat fähigen Sportlerinnen vorhanden?), Vertreter des Bauernverbandes, Vertreter der Ausländerbeiräte, des Museumsbeirates, der Industrie- und Handelskammern, der Handwerkskammern, des Landesverbandes der Vertriebenen, der freien Wohlfahrtspflege, des "Freien Deutschen Hochstifts" (Kulturverein, der u.a. das Goethehaus in Frankfurt betreut), der Europa-Union.
Offensichtlich sind Frauen in Hessen in der Lage, gemäß dem öffentlich-rechtlichen Sendeauftrag zwar einigermaßen (zwei Landespolitikern zu drei Landespolitikern) die Landespolitik zu vertreten, außerdem die Eltern und frauenspezifische Belange des Landes, aber weder die Religionen, noch die Wirtschaft, das Handwerk, die Volkshochschulen, den Bauernverband oder andere wichtige Bereiche der hessischen Gesellschaft. Doch 25 Herren wird immerhin die Alleinvertretung auch des weiblichen Anteils dieser Gesellschaftsgruppen zugemutet, und damit die Überwachung des gesetzlichen Sendeauftrags für je rund 50 Prozent Hessinnen und Hessen.
Vor diesem Hintergrund fragt man sich, was in unserer Länderkammer Bundesrat eigentlich los ist, der am Freitag (21.09.2012) zwar eine 40-prozentige Frauenquote für die Aufsichtsgremien börsennotierter Unternehmen, und damit für die private Wirtschaft beschlossen hat, aber die gleiche Forderung in den meisten der eigenen Rundfunkanstalten des öffentlichen Rechts in sechzig Jahren noch nicht einmal stellte - oder dort auch nur eine annähernd ansprechende Frauenquote zu verwirklichen schaffte.
Ähnlich wenig geschlechtergerecht geht es in den meisten der anderen 8 Sendeanstalten zu. In Bayern (BR) überwachen 47 Mitglieder des Rundfunkrats den gesetzlichen Sendeauftrag, davon sind 12 Frauen (Frauenquote: 25,5 Prozent), die die Bereiche Landtag (4), freie Berufe, evangelische Frauenorganisationen, israelische Kultusgemeinden, Bauernverband, Gewerkschaften, Familienverbände, Landessportverband und katholische Frauenorganisationen vertreten bzw. mit vertreten. Alles andere in Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft wird in dieser öffentlich-rechtlichen Rundfunkrat von 35 Herren vertreten - auch für die mit rund 50 Prozent weiblich besetzte Zuschauerschaft.
Von den 44 Mitgliedern im Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) sind ganze 5 weiblich (die magerste Frauenquote: 11,4 Prozent). Die Bereiche Bund für Umweltschutz und Naturschutz, der Journalistenverband, der Caritasverband, der Landesfrauenrat und das Landwirtschaftsministerium werden weiblich vertreten. Ansonsten sind Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft allerdings auch im öffentlich-rechtlichen MDR-Rundfunkrat mit einer großen Mehrheit von 39 Herren ganz unter sich.
Der Norddeutsche-Rundfunk (NDR) weist dagegen einen 58-köpfigen Rundfunkrat auf, darunter sind mit gleich 28, erstaunlich viele Frauen (Frauenquote: 48,3 Prozent). Damit ist es die einzige Sendeanstalt, die es geschafft hat, immerhinin einem Gremium im eigenen Haus fast die Hälfte der Sitze weiblich zu vergeben, und darunter sind sogar einige Vertreterinnen der Wirtschaft. Es gibt allerdings nur noch eine weitere Ausnahme von der männlichen Dominanz in öffentlich-rechtlichen Rundfunkräten gebührenfinanzierter Anstalten, nämlich Radio Bremen (RB) punktet mit 25 Mitgliedern im Rundfunkrat, davon 15 Frauen (Frauenquote: satte 60 Prozent).
Der Rat des Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) hat 31 Mitglieder, davon sind 10 weiblich (Frauenquote: 32,3 Prozent), damit bleibt die Überwachung des gesetzlichen Sendeauftrags bis 2014 in den Händen einer männlichen Zweidrittel-Mehrheit.
Das Saarland (SR) hat im Rundfunkrat 35 Mitglieder, davon sind 9 Frauen (Frauenquote: 25, 7 Prozent), 26 Männer vertreten die Belange einer geschlechtergerecht besetzten TV-Zuschauer-Allgemeinheit im Saarland.
Im Südwestrundfunk (SWR) sitzen die Landesrundfunkkräte aus Baden-Württemberg in die aus Rheinland-Pfalz. In Baden-Württemberg sind es stattliche 62 Rats-Mitglieder, davon ganze 14 Frauen (Frauenquote: 22,6 Prozent): und folglich eine große Mehrzahl von 48 Männern. Im Rundfunkrat Rheinland-Pfalz sitzen 27 Mitglieder, darunter 7 Frauen (Frauenquote: 25,9 Prozent). Also regiert auch beim Süd-West-Rundfunk (SWR) eine große Mehrheit von 68 Männern und eine deutliche Minderheit von 21 Frauen (Frauenquote: 30,9 Prozent) im Rundfunkrat, die Im Ländle gleichermaßen weiblich und männlich gut besetzte Zuschauerschaft - und den Sendeauftrag für diese.
Beim Westdeutschen Rundfunk (WDR) besteht der Rundfunkrat aus 50 Mitgliedern, davon wieder einmal eine Minderheit - nur 14 Frauen. Das ist eine Frauenquote von 28 Prozent für die Sendeanstalt des bevölkerungsreichsten Bundeslandes.
Der Vollständigkeit halber seien auch die Mitglieder bei den Bundesrundfunkanstalten gezählt: Von den 17 Rundfunkräten der Deutschen Welle, die der ARD angehört, aber nicht mit Gebühren, sondern mit Steuergeldern finanziert wird, sind gerade einmal 3 Frauen (Frauenquote: 17,7).
Im Hörfunkrat des gebührenfinanzierten Deutschlandradios sitzen 40 Mitglieder,davon immerhin 18 Frauen (Frauenquote: 45 Prozent).
Last but not least: Im ZDF-Fernsehrat überwachen 77 Mitglieder die Einhaltung des Sendeauftrags, lediglich 22 davon sind Frauen (Frauenquote: 28,6 Prozent). Dort "glänzen" vor allem die Landesvertreter mit 2 ganzen Frauen aus 16 Bundesländern (Frauenquote: 12,5 Prozent).
Fazit: Der weibliche "Fachkräftemangel" muss enorm sein, wenn es so schwierig ist, Rundfunkräte paritätisch zu besetzen. Außer beim NDR, beim Deutschlandradio und bei Radio Bremen, sitzen viel zu wenige Frauen in den Gremien, um - wie das ZDF auf seiner Webseite (www.unternehmen.zdf.de) die Aufgaben des Fernsehrats definiert - "die binnenpluralistische Gesellschaft" abbilden zu können, die nun einmal nachweislich immer noch ungefähr zu jeweils 50 Prozent aus Frauen und Männern besteht.
Kann die Einhaltung des öffentlich-rechtlichen Sendeauftrags durch solche männlich dominierten Rundfunkräte in Relation zu einer ganz anders zusammengesetzten Gesellschaft wirklich überprüft werden? Speziell die Ausgewogenheit ist hier kritisch zu sehen. Immerhin gibt die männliche Dominanz in öffentlich-rechtlichen Rundfunkräten aber auch eine Erklärung für die Geschichte der männlichen Intendanten öffentlich-rechtlicher Sendeanstalten ab: Zu den Aufgaben der Rundfunkräte gehört auch die Wahl der Intendanten - und die waren genauso wie ihre Wähler bis heute mehrheitlich männlich.
Bis vor ein paar Jahren gab es bei den gebührenfinanzierten Sendern noch nicht einmal eine einzige Intendantin, beim ZDF liegt die Intendanz stringent seit der Gründung des Senders Anno 1962 in männlicher Verantwortung. Mit Monika Piel (WDR), Karola Wille (MDR) und Dagmar Reim (RBB) hat die ARD seit noch nicht all zu langer Zeit immerhin inzwischen drei Intendantinnen (11 ingesamt) vorzuweisen, aber auch das dürfte als längst nicht mehr ausreichend zeitgemäß im Sinne des Sendeauftrags gelten.
Die vielen privatwirtschaftlichen Ausgründungen der Öffentlich-Rechtlichen in den vergangenen Jahren waren dabei auch nicht hilfreich, im Gegenteil, diese hatten und haben negative Folgen, nicht nur, weil das Personal privater Unternehmen anders agiert und andere Ziele verfolgt, als unbedingt den öffentlich-rechtlichen Auftrag zu bedienen, sondern vor allem , weil einerseits nun noch mehr, meist männliche Geschäftsführer, den Sendebetrieb bevölkern und zweitens, weil die durch eine steigende privatwirtschaftliche Ausrichtung damit traditionell verbundene Quoten-Sucht von Medienangeboten gleichfalls wächst und damit - gewollt oder ungewollt - mit einer Programm-Qualität einhergeht, die sich von privaten Sendern immer mehr nur noch marginal unterscheidet.
Oder verstehen Sie, warum am Freitagabend (21.09.2012) zur besten Sendezeit, um 20:15 Uhr im Ersten "Heiraten ist auch keine Lösung" gezeigt wurde, ein seichtes Filmchen der TV60Filmproduktion GmbH mit Sitz in München, der die Gebührenzahler auch solche Schmonzetten wie "Mein Mann, seine Geliebte und ich" oder "Nichts als Ärger mit den Männern" sowie jüngst "Gestern waren wir noch Fremde" zu verdanken haben, bzw. der "ARD Degeto".
Die ARD Degeto oder genauer, die "Degeto Film GmbH", mit Sitz in Frankfurt - Etat 2010, nach eigenen Angaben: 388 Millionen Euro - sorgt nämlich aktiv dafür, dass Sie sich am Freitagabend langweiligen: Dieses Unternehmen ist einerseits die Einkaufsfirma der öffentlich-rechtlichen ARD-Landesrundfunkanstalten, die auch Gesellschafter dieser privatwirtschaftlichen GmbH sind. Die Vorsitzende des Degeto-GmbH-Aufsichtsrates ist RBB-Intendantin Dagmar Reim.
Diese ARD-Einkaufsabteilung soll jedoch andererseits, laut Eigen-Auskunft der ARD, neben anderen Aufgaben auch für den Einsatz der eingekauften Waren in den öffentlich-rechtlichen Programmen verantwortlich sein und - siehe da - insbesondere für den Freitababend, Zitat*: "Neben der Auswahl und Beschaffung der Spielfilme und Serien ist die Degeto auch zuständig für deren Einsatz in den Programmen. Außerdem betreut sie Auftrags- und Koproduktionen, insbesondere für die Hauptabend-Sendeplätze an Freitagen", Zitatende.
Das ist wenigstens eine ehrliche Antwort auf die immer wiederkehrende Frage vieler Zuschauer, warum am Freitagabend nichts außer öde Melodramen zur Primetime in der ARD auf die Bildschirme geschwemmt werden. Immerhin gibt es damit einen Verantwortlichen für das rapide Verflachen des ARD-Freitagabendprogramms. Was die Rundfunkräte der vielen Landesrundfunkanstalten zu dieser mit Gähnfaktor behafteten ARD-Abendprogrammgestaltung der Degeto GmbH sagen, entzieht sich leider unserer Kenntnis.
Das ZDF zeigte am selben Freitagabend "Der Alte", und zwar die Folge "Mord unter Brüdern". Wer nun noch meint, es handele sich bei diesem Werk um einen waschechten "ZDF-Krimi" und dass dieser damit vielleicht immer noch zum Teil selbst gemacht sei, liegt falsch. Auch der ewige Alte, ist inzwischen nur noch eines von vielen eingekauften Produkten und wurde in diesem Fall von der Neue Münchner Filmproduktion GmbH & Co.KG hergestellt, wie man am Firmenzusatz erkennt, ebenfalls ein privatwirtschaftliches Unternehmen, das sich nach eigenen Angaben auf hochwertige TV-Reihen und Serien im "fictionalen Bereich" spezialisiert hat. Das kommt uns inzwischen doch schon sehr bekannt vor.
Es dürfte reichen, um einen Zusammenhang zwischen der zunehmenden, von ARD und ZDF ehrgeizig betriebenen Kommerzialisierung und einer damit einhergehenden Verflachung der öffentlich-rechtlichen Fernsehprogramme zu erkennen. Dazu reicht schon die fast endlose Liste der privatwirtschaftlichen GmbHs und deren Geschäftsfelder zu studieren, an die unsere öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten immer mehr Aufgaben - inklusive Programminhalte und Programmgestaltung - auslagern.
Wie überflüssig dieses ganze Firmen- und Firmchengeflecht dennoch eines Tages werden könnte, ist dabei an der steigenden Beliebtheit der Spartensender Phönix, Arte, 3Sat, Eins Festival, Eins Plus, Tagesschau24, ZDF Neo, ZDF Kultur und ZDF Info zumindest bei denjenigen zu sehen, die sich noch nicht gänzlich abgewendet haben. Allerdings werden diese Sender von den Entscheidern immer noch als so etwas wie Feldversuche gesehen, was man sich meint, leisten zu können.
Während die Abendprogrammgestaltung am Freitag im Ersten also in den Händen einer Einkaufs-GmbH liegt und entsprechend dröge ausfällt, zeigte ZDF Info zum Beispiel am vergangen Freitagabend (ebenfalls 21.09.) zur besten Sendezeit, um 19:45 Uhr, die Dokumentation: "Gnadenlos billig" - einen Film über Zeitarbeiter in Onlineshops. Dabei handelt es sich zweifelsohne um ein wichtiges, aktuelles Thema und damit um einen Sendung, die sicher auch viel mehr die Allgemeinbildung befeuert als ein eingekauftes TV-Produkt namens "Heiraten hilft auch nicht".
So freute sich ZDF-Intendant Dr. Thomas Bellut jüngst vor dem Fernsehrat über eine wachsende Gunst jüngerer Fernsehzuschauer für seinen Spartensender ZDF Info - dessen Neuausrichtung im vergangenen Jahr auf "hintergründige Informationn" somit richtig gewesen sei, so Bellut, der die Gelegenheit ergriff, das optimistische Ziel von 10 Prozent Zuwachs pro Jahr für diesen auszugeben.
Ob man mit solchen Zielen bei einer schrumpfenden Bevölkerung im Hauptprogramm von ZDF und ARD noch in die erste Reihe sendet, wird dagegen immer fraglicher. Das 35-jährige Dienstjubiläum der ZDF-Vorabendserie "Soko 5113" im nächsten Jahr soll deshalb auch schon mal richtig beworben werden und laut öffentlicher Ausschreibung bis zu 40.000 Euro für die notwendige Bekanntmachung dieses Ereignisses über alle Kanäle ausgegeben werden, und zwar mit dem, vorsichtig ausgedrückt, noch viel optimistischeren Ziel, als dem für ZDF Info: Für die Serie "Soko" sollen mit der PR-Aktion tatsächlich neue und jüngere, 30- bis 59-jährige Zuschauer gewonnen werden.
Viele Zuschauer sind jedoch inzwischen nachhaltig verärgert über die epidemieartige Ausbreitung sinnentleerter Fiktion-Formate in den Hauptprogrammen und genauso von der immer teureren Weiterentwicklung gleichbleibender Inhaltsleere bei ARD und ZDF - und schalten höchstens noch Spartenkanäle wie Phönix ein.
Und das mulmige Gefühl, dass sich in der Gesamtschau, ausgerechnet die auf einem Gebührenpolster sitzende Senderlandschaft immer noch durch die Nichtteilhabe von Frauen in ihren höchsten Entscheidungsgremien, den besten Sendeplätzen und interessantesten Rollen auszeichnet, wird solange bestehen bleiben, bis sich auch daran endlich etwas ändert.
Die geschäftlichen Umtriebe der öffentlich-rechtlichen Sender haben bisher jedenfalls nichts verbessert, auch, weil sich zu den bisherigen meist männlich besetzten Chefposten, wie den Intendanten, Programmdirektoren etc. nun auch noch weitere Scharen von männlichen Geschäftsführern der privatwirtschaftlichen Medientöchter und Beteiligungen gesellen, die ebenfalls munter weiter Rollenklischeess bedienen oder bedienen lassen. Diese Mehrheit der in den öffentlich finanzierten Sendern männlichen Entscheider meinen vielleicht auch nur, dass sich Frauen für "romantische Sommerkomödien" interessieren, aber sie wissen es nicht.
Wenn es nach den neuen "Kostverächterinnen und Kostverächtern" ginge, könnten sich das Erste und das Zweite mitsamt ihrer ganzen Fiktion-Welt in Luft auflösen - nicht ohne davor ihre Nachrichten- und Reportagessendungen noch rechtzeitig in die Spartensender zu verlagern. Für den Sport könnten sich ARD und ZDF aus den Gebühren bestimmt noch einen weiteren von ihren vielen "Testfeld-Sendern" leisten: einen reinen Sportsender. Damit wären sie einem privatwirtschaftlichen agierenden Medienkonzern zwar noch ähnlicher, als sie es schon sind, aber vielleicht könnte man damit noch irgendetwas retten. Es würde den Zuschauern jedenfalls eine Menge seltsamer "Unterhaltung" zur Hauptsendezeit und der Öffentlichkeit eine Menge ebenso seltsamer öffentlicher Ausgaben ersparen.
Falls Sie Ihre Programmzeitschrift jetzt noch nicht weggeworfen oder abbestellt und es schon gesehen haben: Am nächsten Freitag läuft in der ARD um 20:15 Uhr: "Zwei übern Berg" - ein Film, den die ARD-Einkaufs- und Freitagsabendplaner-GmbH "Degeto" zu verantworten hat. Natürlich ist es eine Komödie, und natürlich ist die weibliche Hauptrolle eine Sekretärin, die heimlich in ihren Chef verliebt ist, der sich als Ekelpaket herausstellt. Ist es nicht "lustig", wie lange solche gleichermaßen kruden männlichen wie weiblichen Rollenlischees eigentlich noch lustig sein sollen? Das Werk ist ein Film der Constantin Television GmbH, 2006 gegründet - Geschäftsfeld: fiktionale TV-Produktion. Was denn schließlich auch sonst?
Die Ausgewogenheit, die Internationalität, die europäische Integration sowie der Bildungsanspruch des irgendwann einmal aufgeschriebenen und dann offensichtlich vergessenen Sendeauftrags lassen derweil ganz herzlich aus der Ferne grüßen: "Auf Wiedersehen ..., vielleicht!"
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2012-09-23 Angelika Petrich-Hornetz, Wirtschaftswetter
Text: ©Angelika Petrich-Hornetz
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