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Kieler Woche 2

Im Getümmel der Segelregatten

von Moon McNeill

Yachthafen Eines der beliebtesten Vergnügen während der Kieler Woche ist das Mitreisen auf einem der unzähligen Großsegler, die in den Cityhäfen ankern. Wer viel Taschengeld übrig hat, leistet sich eine Regatta-Begleittour auf den russischen Großseglern, der „Kruzenshtern“ oder der „Khersones“, aber auch der kleinere Geldbeutel wird durchaus berücksichtigt. Auf etwas behäbigen Holländerseglern kann man sich für 30-50 Euro einen halben Tag mitten ins Getümmel der Segelregatten begeben. Wer gar kein Geld übrig hat, darf gegen eine kleine Spende und eine halbe Stunde religiöser Belehrung auf dem Missionskutter der Evangelischen Freikirche die Förde entlang schippern. Damit sich auch garantiert keiner dem launig vorgetragenen Sermon entziehen kann, wird er per Lautsprecher auch auf Deck übertragen. Dass diese Fahrten durchaus beliebt sind, beweist das stets gut gefüllte Deck.

Regenschirme Für so manchen ist die Kieler Woche eine bloße Ansammlung von Fressbuden, Menschenmassen und Musikbühnen. Andere wandern konsequent zu jedem kostenlosen Konzert, das sich bietet - um es hinterher als mittelmäßig abzutun. Ein vorgeschobener Grund, um seinen Kummer in jeder Menge Tequila Sunrise und Margarita’s zu ertränken?! Der eigentliche Reiz für mich ist immer wieder die maritime Seite der Kieler Segelwoche. Wer sich einmal morgens in Schilksee im Getümmel flatternder Segel den Weg gebahnt hat, kurz bevor eine Regatta beginnt, spürt die Anspannung vor dem Countdown. Männer und Frauen aus aller Herren Länder in Neopren riggen diszipliniert ihre Boote, dazwischen herumlaufende Hunde und Kinder. Überall liegen leere Bootsanhänger und Seesäcke herum. In Windeseile werden die Boote zu Wasser gelassen und schon blähen sich hunderte farbenfroher Segel im Wind. Zur gleichen Zeit kreuzen am Horizont die ersten Begleitschiffe auf - alles zusammen bei jedem Wetter ein majestätischer Anblick! Wer seinen Fotoapparat zu Hause gelassen hat, zählt grimmig die verpassten Chancen. Gelassene Zeitgenossen verfügen sich in eines der Strandrestaurants mit Fördeblick und genießen den Anblick des maritimen Getümmels vom Strandkorb aus.

Segelschiffe Selbst wenn man sich nicht für das Segeln interessiert, nimmt einen die Atmosphäre gefangen, sobald man sich ihr anvertraut. Im frühen Morgennebeln schon asten sich muskelbepackte Männer auf den Marinekuttern ab: leider ist Flaute. Dabei wollten sie doch für die anstehenden Kutter-Segelregatten üben. Nun heißt es eben die Ruder in die Dollen stemmen und mit Muskelkraft davonziehen. Und damit das auch lohnt, gibt es Ruderregatten für die Kutter. Die an Land stehenden Frühaufsteher spüren förmlich das Reißen in Rücken und Oberarmen und schauen mitfühlend vom Ufer aus zu. Anerkennung ist eines der Zeichen Kieler Charaktere. Niemand geht einfach vorbei, man betrachtet, nimmt wahr, leidet mit. Per Fernrohr verfolgt man interessiert, ob der gekenterte Segler es schafft, sein Boot wieder aufzurichten. Dabei kommt man auch gleich mit dem Nebenstehenden ins Gespräch, es wird gemütlich. Eine Phalanx von Wohnwagen hat es sich am Hindenburgufer gemütlich gemacht, es wird gegrillt und aus der offenen Wagentür heraus das Tagesgeschehen kommentiert. Wenn gerade kein Fußballspiel anliegt, sitzen Angler und Fans der Kieler Woche einträchtig nebeneinander auf kleinen Klappstühlchen direkt an der Kaimauer, eine Flasche Bier neben sich. Ein solch grandioses Panorama schafft keine Großbildleinwand.

Stummer Neid kommt bei so manchem auf, der auf der Bellevuebrücke auf die Fähre nach Laboe wartet. Eine schnieke Segelyacht legt plötzlich an und nimmt zwei Männer aus der Menge an Bord. Die dürfen sich nun an einer Segeltour mit Freunden erfreuen. Im Düsternbrooker Yachthafen rüsten sich an Deck der Dickschiffe gerade die Crews für den Tag. Hier rasiert sich einer pfeifend, da schüttelt man klamme Schlafsäcke aus, dänische Wortfetzen dringen ans Ohr, ein verstrubbelter Mann schaut mit verquollenen Augen aus der Kajüte und fragt sich vielleicht, welcher der abendlichen Wodkas denn nun zuviel war. Taue werden geworfen, Bierkisten geladen, ein paar goldbetresste Uniformen stehen neben verblichenen Seglerkluften. Man fragt sich, wie die Yacht, die man gerade beobachtet, jemals durch das Gewimmel dahinter verkeilter Boote finden soll. Ein paar Zurufe, ein bisschen vereintes Geschiebe, und schon lichten sich die Plätze - schneller als einem lieb ist. Denn leere Häfen sind langweilig.

Schiff Wohl deshalb machen sich in der Hafenecke jetzt mehrere Musiker zu schaffen, die den nun leeren Yachthafen mit leisen Samba-Melodien füllen werden. Das ermuntert zu einem kleinen Snack in den Strandkörben auf der Pier. Man beobachtet die hinein- und herausgehenden Segler, trifft garantiert auf Freunde, die man lange nicht gesehen hatte und lauscht der Musik. Und schließlich müssen die Dickschiffe nach getaner Regatta-Arbeit ja auch wiederkommen. Besser, man reserviert die besten Plätze. Sehen und gesehen werden, sogar Sylt könnte keinen besseren Hintergrund dafür geben!


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2004-06-23 von Moon McNeill, Wirtschaftswetter
Text: ©Moon McNeill
Fotos: ©Sabine Neureiter und Moon McNeill

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