von Angelika Petrich-Hornetz
Es war mal wieder soweit: Jahreszeitenwechel, der Winter vorbei, der Kindern und Material ordentlich zugesetzt hatte. Die Stiefel? Allesamt hin. Das Leder? Höchstens noch "lädiert". Die Nähte kaputt, die Sohlen im Eimer. Die ehemalige "Winterfußausstattung" hatte lediglich noch Schrottwert. Das war aber noch nicht alles: Sämtliche Schuhe waren eh zu klein geworden. Die lieben Kleinen sind wieder einmal innerhalb weniger Monate schubweise gewachsen, der eine gleich um mehrere Größen. Das bedeutete: Vier neue Paar Schuhe für die nächste Generation. Moment, stimmt nicht: Es waren sechs, je zwei Paar Alltagsschuhe und je ein Paar Sportschuhe.
So geht es schon die ganze Zeit: Sechs Paar Schuhe auf einen Schlag, am besten gestern - und das gleich zweimal im Jahr. Der eigene Bedarf nach jeweils jahreszeitlich angebrachter Fußbekleidung ist dabei noch nicht einmal eingeschlossen. Als sie jünger waren, war's auch nicht besser. Da brauchten sie zwar keine teuren Sportschuhe, aber Hausschuhe für die Kita und Turnschuhe für drinnen, damit der Fußboden in der Mini-Turnhalle verschont blieb.
Überhaupt: Ganztagsschulen und Ganztags-Kitas stellen ganze andere Anforderungen an Kind und Material: Die Füße sollen vom stundenlangen Herumtrampeln im gleichen Schuhwerk schließlich nicht krank werden.
Das bedeutet, Schuhe müssen Kindern und Jugendlichen heute noch besser passen, weil sie wie erwachsene Arbeitnehmer acht Stunden darin stehen, laufen und sitzen. Der Kinderschuh als solcher wird zu einer technologischen Herausforderung. Atmungsaktiv? Anpassungsfähig? Wasserabweisend? Leichte Sohlen? Srapazierfähig genäht? Ein Jugendschuh von heute muss deshalb auch bequemer sitzen, weil Kinder und Jugendliche stundenlang auf dem Weg zu ihren Schulen sind.
Und dann lebt die Jugend von heute auch noch auf sehr großzügigem Fuß, Schuhgröße 46 ist bei Jungen heute keine Seltenheit mehr. Es werden immer mehr Elternteile in Schulgeschäften gesichtet, die verzweifelt nach "kleinen" bis übergroßen Herrengrößen für Minderjährige suchen. Die Industrie verspricht seit zwanzig Jahren, sie werde sich angeblich darauf einstellen, bislang ergebnislos. Ab Größe 46 hat der Junge des 21. Jahrhunderts nach wie vor die Auswahl zwischen Basketballtretern, Herrenslippern für den gediegenen Abteilungsleiter - und den üblichen Kindersärgen.
Das kostet - die Eltern Geld, Zeit und Nerven. Und zwar alles inklusive Mehrwertsteuern von satten 19 Prozent. Die Parteien überlegen, öffentlich und medial wirksam, vor jeder Wahl, wie sie Familien mit Kindern entlasten wollen. Doch wie ernst ist es ihnen überhaupt damit? Kostenlose Kitas, mehr Kindergeld, höhere Freibeträge? Dabei liegt ein großer Teil der Lösung des Problems in den Schuhschränken kinderreicher Familien, für alle Augen gut sichtbar parat: Haben Bundestagsabgeordnete jemals in ihrem Leben für ihre Kinder Bekleidung und Schuhe gekauft und sich anschließend den Kassenbon angesehen?
Schon bei Lebensmitteln und Mobilität geben Familien in diesem Land zwangsläufig ein Vielfaches gegenüber Menschen ohne Kinder aus, die nur ihr ihre eigene Füße bestücken, ihren eigenen Bauch oder höchstens noch den der Partnerin, des Partners füllen müssen und die nur den eigenen Mors zur Arbeit, von A nach B bewegen müssen.
Familienpolitiker sollten sich vor Ort bei denjenigen Familien erkundigen, die u.a. Schülerbuskarten à 40,- Euro das Stück und pro Monat für vier Kinder käuflich erwerben müssen. Das macht zusammen 1920 Euro Ausgaben im Jahr, nur für die Schülerbeförderung. Schon das müsste jede Frage danach, was Familien brauchen, beantworten können. Kostenlose Schüler- und Kitakinder-Beförderung würde sicher auch ganz dankbar angenommen. Das stand und steht aber höchstens in wenigen Regionen jemals zur politischen Debatte.
Was die Bekleidung betrifft, legt man als Erwachsener weder selbst noch der/die volljährige Partner/in pro Jahr ein Längenwachstum von zehn Zentimetern hin. Bei Kindern dagegen kann die neueste Hose so neu sein, wie sie will, wenn sie einfach nicht mehr passt. Der ausgewachsene Erwachsene muss seine Bekleidung höchsten dann erneuern, wenn er oder sie zu dick geworden - oder die Klamotte aus der Mode gekommen ist.
Das aber steuerlich "gleich3 zu behandeln, mit Kinderbekleidung, die gekauft werden muss, ist eine Verzerrung der Wirklichkeit. Die gemäßigten Kritiker dieser "Gleichbehandlung" finden es zumindest bedenklich bis nicht mehr zeitgemäß. Warum wird z.B. ausgerechnet Heimtierfutter steuerlich mit dem ermäßigten Satz subventioniert? Der Konsum adipöser Hundebesitzer wird in diesem Land damit steuerlich deutlich besser gefördert, als der von maßvoll essenden Eltern mit Kindern. Doch über die steuerliche Förderung von erwachsenen Menschen und ihren Freizeitvergnügen werden in diesem Land nur wenige Daten veröffentlicht und damit auch nicht medienwirksam und öffentlich bekannt.
Das ständige Neu-Einkleiden von Kindern im Wachstum ist jedenfalls ein fetter Ausgabenposten für schuftende Eltern, die, wie oben beschrieben, regelmäßig nicht nur einmal im Leben bei mindestens einem ihrer Kinder auch noch das Vergnügen erleben dürfen, dass dieses seine sämtlichen - gestern noch aktuellen - Kleider- oder Schuhgrößen mit einer Leichtigkeit überspringt, von der die Steuergesetzgebung in diesem Land offenbar noch nie etwas gehört hat. Wie wäre es wenigstens mit "wachstumsbedingter Belastung", zweimal im Jahr?
Und weil die Ärmel der teuren Winterjacke nur zehn Tage lange nicht zu kurz waren, weil das Kind meinte, in zehn Nächten noch mal ein paar Zentimeter zulegen zu müssen, kann man das gute Stück auch leider auch nicht mehr in das Geschäft zurückbringen. Es wäre also geradezu ein Segen für mittelständische Familien mit Kindern, wenn die Mehrwertsteuer auf Kinderbekleidung, am besten noch auf sämtlichen Kinderbedarf (Schulmaterial!), auf eine konsequente, kinderfreundliche Null gesetzt würde.
Dann kommt die alte Litanei: "Das geht doch nicht ..., das wäre ja ..., aber, ..., nicht doch ...;" so stöhnen die lieben Mitkonsumenten, die sich lieber Pferde, Nagellack, Goldschmuck, neue Autos, Häuser, Sportboote, Flachbildschirme, Smartephones, Esel, Trüffel, Gänseleber und Schnittblumen als Kinderbekleidung kaufen möchten. Und darauf zahlt man ja auch 7 oder 19 Prozent Mehrwertsteuer.
Wer weiß denn schon, trotz aller bisherigen Evaluationen, wie viele Milliarden Steuergelder dem Staat jedes Jahr in Form von Mehrwertsteuern auf Kinderklamotten durch die Lappen gehen würden?
Recht so, denn der Verzicht auf die Mehrwertsteuer eines Postens, bei dem ein Zwang zum Kaufen besteht, dürfte sich deutlich bemerkbarer machen als jede Anhebung des verminderten Steuersatzes für Mineralien- und Münzsammlungen, Maulesel und Zuchtpferde auf den normalen Satz. Doch der Buchhalter weiß: Auch Kleinvieh macht Mist - nicht nur Kinder.
Und von wegen, das ginge nicht: In Großbritannien zahlen Eltern und Kinder 0 Prozent Mehrwertsteuer (Value Added Tax (VAT)) auf Kinderbekleidung. Diese 0-Prozent-Regel gilt im Übrigen auch für Zeitungen, Zeitschriften und Bücher, d.h. Bildung und Bekleidung, beides große Ausgabenverursacher einer ganz normalen Kindheit, sind auf der Insel steuerlich deutlich sozialer gestaltet als in Deutschland.
Neu ist diese Forderung auch in Deutschland indes nicht, und konservativ dazu. Seit einigen Jahren fordert u.a. der "Familienverband der Katholiken" zumindest den reduzierten Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent auf Produkte und Dienstleistungen für Kinder und gründete dazu 2011 eine Intiative.
Die Nachrichten für Kinder sehen - trotz bevorstehender Bundestagswahl - diesbezüglich allerdings nicht gerade rosig aus. Die politische Stimmungslage schwingt eher in Richtung Steuererhöhungen, siehe auch weiter unten, zu den Überlegungen der EU-Kommission. Den gegenwärtigen Beteuerungen nach zu urteilen, die die Parteien aktuell von sich geben, nämlich dass es "keine Steuererhöhungen" nach der Bundestagswahl geben würde, sollte der Wähler kritisch gegenüberstehen.. Diese angeblichen Nicht-Erhöhungen werden nach einer Wahl, später gern als "Angleichung an den Regelsteuersatz" umformuliert - und anschließend als großer "Transparenz-Gewinn" an eine staunende Wähler-Öffentlichkeit verkauft, die vor der Wahl wieder einmal gar nicht ahnen konnte, was ihr danach blühen wird.
Dabei wäre die britische 0-Prozent-Variante eine direkte Entlastung für Familien, und zwar der Sorte mit Kindern, und müsste auch eigentlich denjenigen Politikern schmecken, die immer sofort befürchten, Eltern würden Kindergeld und Kinderzuschläge vorwiegend in neue Fernsehgeräte und Alkoholika umsetzen, statt in ihren Nachwuchs zu investieren.
Da Familien mit Kindern ein nicht zu vernachlässigender Faktor des privaten Konsums sind, kurbelte das Wegfallen der Mehrwertsteuer, den Konsum solcher notwendiger Dinge eher noch mehr an und könnte auch ein Anreiz für den Erwerb von nachhaltiger produzierter Kinderkleidung in denjenigen Haushalten sein, die sich das bislang finanziell nicht erlauben können.
Ebenfalls im Halbjahresrhythmus sind die familiären Ausgaben für Schulmaterial getaktet. Am Ende einer Kindheits- und Schülerphase stehen Hunderttausende Euros - und ebenfalls Tausende davon sind reine Mehrwertsteuern, mit denen Eltern damit höchst persönlich die sozialen Gaben für ihre eigenen Kinder finanzieren, die sie sich u.a. auch deshalb nicht mehr selbst leisten können.
Dass es darüber viel zu wenige Statistiken gibt, liegt daran, dass Statistiken wie Laboruntersuchungen nur zielgerichtet untersuchen können und niemand in diesem Land will so ganz genau wissen, mit wie viel Zeit und Milliarden Euro Eltern und Kinder diesen Staat subventionieren und damit u.a. in die Zukunft ihres Landes investieren, von dessen Infrastruktur und Kinderreichtum auch andere profitieren.
Laut der ZDF-Doku "Was kostet ein Kind", müssen Eltern bis zum 18. Lebensjahr rund 117.000 Euro pro Kind ausgegeben.
Allein für Bekleidung werden nach dieser Berechnung 9101,80 Euro pro Kinderleben fällig, damit kostete ein Kind pro Jahr bekleidungstechnisch rund 506 Euro im Jahr. Das dürfte auf Kante gerechnet sein, bei dem immensen Bedarf wegen Verschleiß und Herauswachsens. Für die Einkleidung zahlt ein Kind bzw. dessen Eltern, in einem Kinderleben damit allein rund 1729 Euro Mehrwertsteuer.
Und pro Lebensjahr ihrer Kinder zahlen Eltern also einen knappen Hunderter reine Mehrwertsteuer auf Kinderklamotten an Vater Staat. Rechnet man mit noch 13 Millionen vorhandenen Kindern (bis 18 Jahre, Stand der Kinderzahl 2011, Statistisches Bundesamt) in Deutschland, bezahlen diese Kinder bzw.ihre Eltern pro Jahr rund 1,3 Milliarden Euro Mehrwertsteuer, ausschließlich für Kinderbekleidung an Vater Staat, die wohlgemerkt, gekauft werden muss, damit die nächste Generation die von der Politik viel beschworene Teilhabe allein am Kindergarten- und Schulleben überhaupt in angezogenem Zustand wahrnehmen kann.
Damit haben Eltern im Alleingang mit der Kinderklamotten-Mehrwertsteuer die nun verworfene Drohne "Euro-Hawk" allein finanziert. Sie hätten sich dafür aber auch die jährlichen Medikamentenausgaben der gesetzlichen Krankenversicherungen für das Bundesland Rheinland-Pfalz oder den Ausbau der Bahn-Infrastruktur bis 2017 des Landes Brandenburg ganz allein leisten können.
Die weiteren Posten der Kinderkostenrechnung mit insgesamt 117.000 Euro pro Kopf haben es ebenfalls in sich: Für Ernährung rechnete das ZDF bzw. das Statistische Bundesamt, auf dessen Daten die Berechnungen basieren, 25.605,36 Euro pro Kinderleben vor. Umgerechnet aufs Jahr und bei 13 Millionen Kindern bis 18 Jahre, mit dem üblichen verminderten Mehrwertsteuersatz für Lebensmittel von 7 Prozent, wäre (es gibt auch Lebensmittel mit 19 Prozent Umsatzsteuer, z.B. Minteralwasser, Saft, Babykost) auch das rund 1,3 Milliarden Euro reine Mehrwertsteuer pro Jahr.
Diese zahlen Eltern dem Staat, wohlgemerkt, nicht damit dieser, ihre Kinder durchfüttert, sondern weil sie es selbst tun. Die (7-Prozent, s.o.) Mehrwertsteuer für Kinderernährung eines Jahres in Deutschland entspricht damit schon fast dem Handelsbilanzüberschuss des EU-Staates Ungarn im ersten Quartal 2013 und fast exakt dem Umsatz der RTL-Group im selben Zeitraum.
Mit ihren Mehrwertsteuern auf Kinderbekleidung und Kinderernährung (2,6 Milliarden Euro) nur eines Jahres generieren deutsche Eltern und Kinder damit locker den Jahres-Umsatz der deutschen Bundesliga (1,9 Millarden). Würden sie ihre Mehrwertsteuern in die investieren, hätten sie im nächsten Jahr wahrscheinlich mehr Profit für ihre Kinder erzielen können als mit der aktuellen Bundespolitik.
Das ZDF führte insgesamt 11 Kosten-Posten eines Kinderlebens auf (mit insgesamt 117.000 Euro pro Kind), aus denen die Mehrwertsteuer ähnlich gerechnet werden kann, was den Rahmen dieses Artikels allerdings sprengen würde.
Hätte man dies in einem der vielen Berichte der Bundesregierung wenigstens einmal getan, dann wüsste die Öffentlichkeit wenigstens, in welchem Maße Eltern und Kinder sich in diesem Land in Wahrheit selbst und auch andere Bürger finanzieren - und würden von der Öffentlichkeit nicht mehr ständig als alimentierte Bittsteller wahrgenommen werden, sondern als die aktiven Steuerzahler, Arbeitnehmer und Unternehmer, die sie sind, die überall Abgaben leisten und die nebenbei mit dem Erziehen von Kindern noch dafür sorgen, dass dieses Land überhaupt noch eine Zukunft hat.
Immerhin kann sich jeder Leser ausrechnen, dass die Eltern mit den Ausgaben von 117.000 Euro eines Kinderlebens einen Umsatz 84 Milliarden Euro pro Jahr generieren. Zum Vergleich, der Bundeshaushalt 2013 wiegt etwa 302 Milliarden Euro.
Wenn die Kaufkraft von Familien mit Kindern, weiter schwindet, zuforderst deshalb, weil es immer weniger von ihnen gibt, wird das Auswirkungen haben. Als eine der ersten Branchen hat es die Autoindustrie bemerkt. Der Neuwagenkäufer dürfte inzwischen etwa durchschnittlich 49 Jahre alt sein. Bereits die jetzige Jugend-Generation macht mangels Einkommen auch gar keine Anstalten mehr, daran jemals etwas zu ändern und dieses Durchschnittsalter wieder zu senken, und zwar in ganz Europa. Was an der europäischen Autoindustrie aber alles dranhängt, werden mit etwas zeitlicher Verzögerung dann auch andere Gesellschaftsgruppen bald zu spüren bekommen.
2,6 Milliarden reine Mehrwertsteuer auf Kinderernährung und Kinderbekleidung pro Jahr ist natürlich ein Posten, auf den Vater Staat sicher nicht so leicht verzichten möchte. Allerdings: Würde Papa Staat die Mehrwertsteuer für Hunde- und Katzenfutter von ermäßigten 7 Prozent auf den Regelsatz von 19 Prozent erhöhen, gäbe es immerhin ein paar Millionen Euro Ausgleich für den Wegfall der Kinderbesteuerung, auch weil in Deutschland mittlerweile mehr Katzen (12,3 Millionen) und Hunde (7,4 Millionen) leben, als Kinder (Stand 2012, Daten: Zentralverband Zoologischer Fachbetriebe Deutschland e.V. ZZF).
Insgesamt setzte der Heimtiermarkt 2012 rund 3,9 Milliarden Euro um, davon für Fertignahrung 2,94 Milliarden Euro. Mit 19 Prozent versteuert beträgt das Mehrwertsteuervolumen für Heimtierfertignahrung knapp 560 Millionen Euro. Durch die Bezuschussung mit dem verminderten Steuersatz entgehen dem Staat immerhin 353 Millionen Euro, ein Betrag der reichlich über den 200 Millionen Euro Ausgaben liegt, die die Bundesregierung 2012 bei der Verabschiedung des Haushalts 2013 noch an mehreren Stellen heroisch bejubelt, weil eingespart, hatte.
Vor dem Hintergrund, dass selbst Hotelübernachtungen mit 7 Prozent steuerlich begünstigt, aber ausgerechnet Babynahrung und Möhrensaft mit 19 Prozent voll besteuert werden, muss sich Vater Staat darum den berechtigten Vorwurf gefallen lassen, dass ihm Hunde, Katzen und Hotelgäste offensichtlich deutlich steuerlich förderungswürdiger erscheinen - als "seine Kinder". Der Bundesrechnungshof hatte bereits vor fast genau drei Jahren den Bundestag über eine dringend gebotene Aktualisierung der Ausgestaltung der Steuerermäßigung unterrichtet und darin diverse solcher Ermäßigungen, inklusive der für Heimtierfutter sowie für Ziergehölz u.a. ausführlich und begründet sowie u.a. als nicht mehr zeitgemäß kritisiert.
Ein besonderes Augenmerk sollten EU-Staaten aktuell auch auf die Pläne der EU-Kommission werfen, bei der die Abschaffung der nationalen Mehrwertsteuerbefreiungen bzw. der Ermäßigungssätze für Europa aktuell im Gespräch ist. Das würde in Großbritannien folglich zur Besteuerung von Kinderbekleidung und in Deutschland von Krankenhaus- und ärztlicher Behandlung führen, die hierzulande davon noch befreit sind. Nicht nur in England und Deutschland, sondern in ganz Europa würde sich das Leben nicht nur von Familien mit Kindern, sondern von allen Verbrauchern damit erheblich verteuern.
Abschließend noch eine Bemerkung zur aktuelle Evaluation der "Familienleistungen", die im Juni vom Bundesfamilienminsterium vorgestellt wurde, mit den anschließend üblichen Aufschreien, dass Deutschland für "seine Familien" (viele denken immer noch, es handele sich dabei ausschließlich um Familien mit Kindern) 200 Milliarden Euro aufwende. Man sollte sich diese Rechnung genauer ansehen, bevor man sich darüber aufregt, Kinder und Familien bekämen angeblich zu viel Geld.
Warum in diesen Evaluations-Topf für "Familien", die keineswegs immer mit dem Vorhandensein von Kindern zu tun haben, auch das Ehegattensplitting von kinderlosen Ehen sowie der steuerliche Freibetrag für Kinder (ein Existenzminimum, das auch für Erwachsene gilt und niemand käme auf die Idee, dieses irgendwo als "Ausgaben" hineinzurechnen) eingerechnet wurde sowie die beitragsfreie Mitversicherung von Kindern in den gesetzlichen Krankenkassen, ebenfalls als "Ausgaben" deklariert werden, bleibt unverständlich.
Alle leistungsfähigen Versicherten der GKV zahlen ihre Beiträge auch für mitversicherte Dritte, damit auch für Kinder, so dass auf diese Art und Weise deren Versicherung durch das Beitragsaufkommen finanziert wird. Würden auch Kinder Beiträge in die GKV einzahlen müssen, würden lediglich die Beiträge auf der anderen Seite für alle anderen, beitragspflichtigen, erwachsenen Versicherten sinken. Es wurden allerdings ausdrücklich nicht die Steuergelder, die für allgemeinbildende Schulen tatsächlich ausgegeben werden, in die familienbezogen Leistungen aufgenommen, die man Familien mit Kindern viel eher direkt als öffentliche Ausgaben, als o.g. zuordnen kann.
Übrigens: Es gibt auch noch viel mehr Waren und Dienstleistungen, die seit Ewigkeiten und ohne Not steuerlich begünstigt werden, und von denen Kinder ebenso nicht profitieren wie vom ermäßigten Steuersatz für Maulesel, das Wirtschaftswetter berichtete. Es wäre z.B. sinnvoll, wenn sich erwachsene Bürger in Deutschland endlich von ihrer 0-Prozent Besteuerung ihres geliebten Glas Weins verabschieden könnten und diese Einnahmen direkt in Kinderinfrastruktur flössen. Dem steht eigentlich nichts im Wege, außer einigen unbeweglichen Hebeln in den Köpfen politischer Entscheider.
Weiterel:
Mehrwertsteuer: Mehr oder weniger Wert
In welcher Schicht wird die Zukunft versoffen?
2013-07-01, Angelika Petrich-Hornetz, Wirtschaftswetter
Text: ©Angelika Petrich-Hornetz
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